Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute…
Es ist Mittwoch und wir haben ein Déjà-vu. Wie fünf Tage zuvor beim HipHop Open (Review) stehen wir wieder in der Arena, schon wieder schlängelt sich das Quecksilber gen 40-Grad-Marke, erneut eröffnet ein österreichischer Act den Konzerttag und wieder warten wir auf einen großen amerikanischen Headliner. Nur dass es diesmal nicht A$AP Rocky ist, der sich in Wien einem Live-Gig verpflichtet hat, sondern Snoop Dogg. Spannend, vor allem im Hinblick darauf, dass er ein paar Tage zuvor in München einfach nicht auf der Bühne erschienen ist und lieber als DJ in einer Disko aufgetreten ist. Die vergeblich wartenden Fans haben randaliert.
Das Open-Air-Gelände wäre an diesem Abend wohl auch nur mit Snoop Dogg am Line-up voll gewesen, trotzdem holte sich „Beat the Fish“ mit Zugezogen Maskulin und MoTrip zwei der heißesten Aktien an der momentanen Deutschrapbörse. Und mit Nora Mazu und Kayo zwei Musiker, die fest in der österreichischen Rap-Szene verwurzelt sind. Pünktlich um halb sechs eröffnet das Trio von Nebenzimmer Sessions mit Schlagzeug, Keyboard und Gitarre den Abend. Wie schon zuvor beim HipHop Open ist der Bass leider viel zu sehr im Vordergrund, die jazzige Live-Musik wird dadurch schwer konsumierbar. Nora Mazu stößt dazu und zeigt Nummern aus ihrem aktuellen Album „Der Punkt unter dem i“. „Ist das Fiva auf der Bühne?“, fragt Grim104 von Zugezogen Maskulin, als er Nora Mazu beim Soundcheck von Weitem hört. Ja, gewisse Parallelen sind da, Nora flowt, rappt verständlich und versucht, das Publikum miteinzubeziehen. Als nach ein paar Songs auch Kayo dazukommt und beide versuchen, ein Call-and-Response-Spiel mit den Konzertbesuchern zu spielen, wirkt das etwas schmählich – es sind einfach zu wenige Leute dafür vor der Bühne. Auch als Average sich als Gast dazugesellt und mit den beiden die Nummern „Durchschnitt Knockout“ sowie „Problem-Remix“ bringt, ändert das nichts. Die Stimmung ist halt leider noch nicht vorhanden.
Die beiden Rapper von Zugezogen Maskulin scheint es nicht zu stören, dass einige Leute direkt vor der Bühne sitzen oder sogar liegen. „Was für ein romantisches Sit-in“, beschreibt Testo die Situation. Die zwei sind weder beleidigt, noch unmotiviert ob der geringen Motivation des Publikums, bei den Dubstep-geprägten Beats mitzuhüpfen. „Ihr könnt auch hin- und herwiegen wie Schilf im Wind oder hippiemäßig hüpfen“, meint Grim104, oder „Schlange der Versuchung, wie Testo ihn nennt, zwischen den Songs. Die bildhafte Sprache zieht sich nicht nur durch die Texte der beiden Wahlberliner, sondern eben auch durch ihre Moderationen. Zusätzlich verstärken die beiden das Gerappte durch ihre Handbewegungen, mimen Roboter, verwenden den eigenen Bauch als Trommel oder ballern einen imaginären Fußball in die Menge, wenn es im Text ums Kicken geht. Aber sie können auch ernster. Grim104 erzählt von den vielen Menschen, die in ihrer Verzweiflung versuchen, übers Mittelmeer nach Europa zu gelangen und dabei ertrinken. Und wenn sie es doch an Land schaffen, landen sie am Oranienplatz und werden dort drangsaliert. „Oranienplatz“ ist der passende Song dazu, zu zwei Nummern packt DJ Kenji451 seine Violine aus und komplettiert die wummernden Beats. Zum Schluss zeigen die beiden doch wieder ihre überzogene und witzige Seite: „Bei so einem Snoop Dogg Konzert hat man sicher voll Lust, ein bisschen Kiffi-Kiffi zu machen!“ Selbst die sitzende Meute lacht.
Bei MoTrip, dem es im Vorfeld des Events logischerweise übel genommen wurde, dass weder Talib Kweli, noch Pusha T gekommen ist und er dafür den Slot übernommen hat (ist doch allseits bekannt, dass manche Künstler andere aus dem Line-Up drängen – #sarkasmusOFF), füllt sich die Tanzfläche langsam. Nun steht schon eine beachtliche Kulisse vor dem Aachener, der erst vor Kurzem sein Album „Mama“ veröffentlichte, das in den deutschen Charts auf Platz 3 eingestiegen ist. Mit seinem Back-up Joka (sein Album „Augenzeuge“ erscheint am 4. September) und DJ Jim Tonic liefert er eine fette Show, zeigt lückenlose Reimtechnik und spielt dabei so gut wie das ganze neue Album und einige Tracks aus „Embryo“. Gegen Ende des Auftritts gibt es noch die Gänsehaut-Viertelstunde mit den etwas einfühlsameren Tracks wie „Malcolm Mittendrin“, „So wie du bist“ oder „Selbstlos“. Dabei singt der vordere Teil der Crowd wunderschön mit und sorgt für eines der Highlights des Abends. Der letzte Track geht dann „an alle die mich kennen“. Nach diesem Auftritt sollten das in Wien einige mehr geworden sein.
Déjà-vu Numer zwei: Lange Umbaupause untermalt mit langweiliger Musik, Currywurst und Pommes. Nur die Stimmung ist anders. „Kommt er wirklich?“, hört man die Leute in der Menge tuscheln. Soundcheck. Noch immer kann niemand mit Garantie sagen, dass da gleich Snoop Dogg auf der Bühne stehen wird. Doch kurz vor 22 Uhr ist es so weit. Die Band stellt sich auf. „California Love“, man ist sichtlich erleichtert. „Still D.R.E“… aber noch kein Snoop Dogg. Und dann endlich: „The Next Episode“ ertönt und plötzlich steht er da. Gold-verziertes Mic in der einen, Blunt in der anderen Hand. Alle Zweifel an seinem Erscheinen sind Geschichte. Geschichte sind auch die Tracks, die er spielt. Einen Klassiker nach dem anderen ballert Snoop als Medley dem Publikum entgegen, zeitweise begleitet von zwei Tänzerinnen. Auch dem neuerdings Insolventen 50 Cent wird Tribut gezollt: „Do you want to hear some PIMP music?!“ Und dann? „I just wanna make you sweat.“ Von der Oldschool Party zur Maturareise und wieder zurück. Auf „Gin & Juice“ folgt Katy Perry’s „California Girls“. Naja, wer kann, der kann. Wenn man solche Hits hat, warum sollte man nicht auf sie zurückgreifen. Einzig „Wiggle Wiggle“ ist uns erspart geblieben. Schade, die Mädels auf der Bühne hätten sicher eine interessante Choreographie dafür parat gehabt. Dann wird dem Rock’n’Roll noch die Liebe ausgesprochen und auch Biggie und Tupac wird die Ehre erwiesen. Überhaupt begrenzt Snoop Dogg seine Tracklist nicht nur auf sein eigenes Schaffen: „Let’s get high“ von Dr. Dre, „I love Rock’n’Roll“, oder „Jump Around“ bringen die Crowd genauso zum Auszucken wie „Drop It like it’s hot“. Snooooooooooop!! Oder doch lieber „Snoop Dooggy Doooooog“? Wurscht was, es wird mitgegrölt, was das Zeug hält. Zum Abschluss singen alle zusammen noch „Young, Wild & Free“ und wir sind zurück auf der Maturareise. Snoop bringt den Auftritt ohne viel Drumherum über die Bühne. Wir sind dankbar, dass er sich nicht in seine AKAs à la Snoop Lion oder Funkzilla verlaufen hat. Die letzten Worte: „Thank you all for letting me be me … and smoke weed!“ So verabschiedet sich Snoop zu den Klängen von Bob Marley’s „Jammin“. Dabei hatte er doch versichert, dass keine Party wie eine Snoop Dogg Party sei, weil eine Snoop Dogg Party nicht stoppt … Und wir haben ihm geglaubt! Aber er meinte auch, dass er jederzeit wieder kommt, wenn wir es wollen, aber das war dann wohl auch eine Lüge, denn Zugabe gab’s nach 45 Minuten Show keine.
Interviews mit Zugezogen Maskulin und MoTrip folgen in Kürze.
Fotos: Niko Havranek / Text: Julia Gschmeidler und Jeremie Machto
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Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute verbessert sie, hievt Beistriche wieder auf ihren richtigen Platz und hält die ganze Bande mit liebevoller Strenge zusammen. Nach dem Dienst im KURIER-Newsroom hört sie dann eine Zugezogen-Maskulin-Platte zum Einschlafen.