Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Im Pulverfass braut sich einiges zusammen. Nachdem Al Pone schon im Juni mit der „Balkanski“-EP einen heißen Anwärter auf die „EP des Jahres“ bei den anstehenden The Message Awards abgeliefert hat, zeigte kürzlich auch sein Labelkollege Kizmet auf. Der Wahlgrazer hat Ende November sein Mixtape „Indigo“ veröffentlicht – und damit stilistisch eine neue Ära in seiner Rap-Laufbahn eröffnet. Sein Zugang an die Tracks hat sich im Vergleich zur Solo-EP „Asche“ und dem Album „Odyssee“ mit MDK radikal verändert. Mehr dazu erzählt Kizmet im Interview.
The Message: Die offensichtlichste stilistische Veränderung ist der Sound. Du rappst auf deutlich moderneren Beats von 4tact und Co. Eine schwierige Entscheidung?
Kizmet: Es ist schwer einzugrenzen, weil ich für mich immer schon moderneren Sound gehört und damit rumgespielt habe. Ich habe aber lange Zeit vorgenommen, dass ich Boombap-Tracks abliefere, um mir selbst zu beweisen, dass ich es kann.
Es ist eine gute Schule, oder?
Auf jeden Fall. Man will ja den Respekt von anderen MCs und zeigen, dass man oag ist. Dafür war es mega. Ich habe für mich schon immer bisschen newschooligeren Sound gemacht. Vor der Chaotix-Zeit auch Dancehall-Stuff. Da habe ich meine Stimme noch ganz anders eingesetzt. Reggae und Dancehall waren immer schon nahe, da haben mich neuere Artists wie Vybz Kartel, Mavado und Aidonia voll abgeholt. Das wollte ich auch machen – zum Glück ist es nie rausgekommen (lacht). Dann kamen die Boombap-Sachen. Die waren ein Anliegen. Der Sound hat sich jetzt verändert, weil ich selber fast keinen Boombap mehr höre. Ich wollte aber nicht zu früh switchen, weil das nach hinten losgehen kann. Wie es zum Beispiel bei T-Ser war. Er war bekannt für Boombap und dopen Rap und hat dann auf einmal Trap gemacht, was er wahrscheinlich auch schon vorher gehört und gefeiert hat. Aber er ist am Anfang extrem dafür gehated worden. Die Szene ist manchmal sehr konservativ. Das Ding ist auch, dass du mit klassischem Sound nur bis zu einer gewissen Grenze an Reichweite kommst. Und die ist bald einmal erreicht.
Hat dir die Beobachtung geholfen, dass die Leute in der Crowd meist älter waren als du selbst?
Ja. Mir ist bei den eigenen Shows oft aufgefallen, dass ich fast der Jüngste war. Mit Anfang 20 war es mir egal, weil ich einfach live spielen wollte. Es waren natürlich auch paar Junge dabei, ganz so war es nicht. Jeder soll meine Tracks hören, aber es bringt einen zum Nachdenken. Wenn man newschooligeren Sound macht, fallen vielleicht paar von den älteren Leuten weg, die damit wenig anfangen können. Oder sie sagen, es ist nicht ihr Style, aber es mir ganz nice finden. Ich will nicht nur Sound für Kinder machen. Aber wenn Jugendliche die Tracks hören, sollen sie es genauso feiern können.
Du hast schon als Kind immer wieder gesungen, oder? Das trifft sich gut zum Zugang, der jetzt deutlich melodischer ist.
Ich habe von Klein auf viel gesungen und habe es schon sehr lange für mich gemacht, aber auf klassischen Beats wollte ich es nicht machen. Vom Gefühl her hat es nicht so gepasst, weil man über Beats rappen muss und die Hook gerappt sein muss. Was natürlich Blödsinn ist. Ich habe aber immer schon den Zugang zu Melodien gehabt, weil ich viel Reggae, Dancehall und Pop gehört habe. Auf den Beats der neuen Tracks fällt es mir leichter, das anzuwenden.
Würdest du sagen, dass die neuen Tracks natürlicher sind?
Weit natürlicher. Ich habe mich ja früher extrem limitiert. Jetzt geht es mir viel leichter von der Hand und ist näher an mir.
War es schwierig, mit den Erwartungen der Leute zu brechen?
Ich habe schon darüber nachgedacht, wie es ankommt und was Leute von mir erwarten. Es war ein Prozess, das abzulegen. Nach “Asche” habe ich überlegt, was ich machen soll. Ich habe bald darauf ein paar Tracks geschrieben, es wäre halt wieder dasselbe geworden und das wollte ich nicht. Al Pone hat mich 2020 mit der “Sin EP” geflasht. Von ihm hätte man es sich auch nicht erwartet. Er hat sich von einigen alten Denkmustern verabschiedet und sich neu erfunden. Das hat mich inspiriert. Wir haben viel darüber gesprochen und wir sind zur Frage gekommen: Was haben wir zu verlieren? Leute, die nur wollen, dass ich gleich bleibe? Dadurch werde ich nicht glücklich. Ich kann mich nicht so limitieren. Das Boombap-Ding ist auf Nummer sicher gehen. Neuen Stuff machen und nach außen tragen erfordert mehr Mut, weil du gleich mal gehated wirst. Aber bei uns beiden kommt er gefühlt eh viel besser an. Natürlich sind auch paar Leute weggefallen.
War das Release ein Befreiungsschlag?
Es war der komplette Befreiungsschlag. Wie die Sessions mit grpjce. Die haben auch sehr geholfen, jeder Track hat danach geballert. “Standby” war ja 2021 der erste Track auf neuem Sound. Aber „Flightmode“ habe ich davor geschrieben und wie alle Tracks in einer Session gefinisht.
Wenn du die Steilvorlage schon lieferst: Hat dir der Umzug nach Graz nicht gutgetan? Weil du jetzt deutlich mehr übers Ballern, über Drogen- und Streetgeschichten rappst als früher.
Das kann man so und so sehen (lacht). Natürlich sind alte Verhaltensweisen wieder präsenter geworden.
Welche?
(lacht) Das lassen wir mal so stehen. Ich habe musikalisch viel mehr zu mir gefunden. In Graz ist es vom Gefühl her bisschen rougher, mehr einen Fick darauf geben. Ich gehe offener mit meiner Vergangenheit um und erzähle mehr von Sachen, die ich erlebt habe und erlebe, die ein Teil meiner Realität sind. Früher habe ich das immer verschwiegen, versucht, nicht zu viel nach außen zu tragen und mich limitiert – vielleicht aus irgendeiner Paranoia heraus. Ich wollte nicht zu viel anecken, nicht zu viel auffallen und nicht zu viel von mir verraten. Ich habe mir gedacht: Alles, was ich sage, kann gegen mich verwendet werden. Heute ist mir das egal.
Also weniger Paranoia, aber gleich viele schlechte Einflüsse?
Natürlich gibt man mal Gas, geht ab und lebt, aber wir haben heute alle ein Ziel vor Augen. Damals waren wir komplett verwirrt, planlos und haben irgendwas gemacht. Wenn wir uns heute wegsprengen, dann ist es eine gezielte Sprengung (lacht). Die Kreise haben sich auf jeden Fall gebessert.
Welches Ziel habt ihr alle vor Augen?
Es ist schwer, Ziele auszusprechen. Ich habe immer Angst, dass sie nicht passieren, wenn man sie ausspricht (lacht). Aber ein Ziel ist es natürlich, geile Mucke zu machen, sie rausbringen und alles immer professioneller angehen. Aber wir wollen nicht herumhängen und nichts machen. Wir sind alle motiviert, wollen releasen und, dass die Leute die Tracks hören.
Wie schlecht waren die Kreise in Steyr?
Man wird bisschen reingeboren. Natürlich ist es eine Kleinstadt, aber man muss sie kennen. Man kann dort genauso erleben, dass man auf einmal ein Messer am Bauch hat. Natürlich hat es auch genug Nazis gegeben, gegen die man sich zur Wehr setzen muss. Oder gewisse Lokale, wo man aufpassen musste. Es hat mich nicht so interessiert, aber manche sind hin, weil sie Stress machen wollten. Es war eine Reaktion, dass man immer ein Butterfly mithat.
Von welchem Alter reden wir?
15, 16 Jahre. Im Nachhinein betrachtet natürlich wahnsinnig. Wenn man Anzeigen kriegt, wird es zach. Ich habe irgendwann eine Aussage machen müssen und war angeklagt. Der Polizist hat meinen Nachnamen gesagt und gemeint: ‘I sog’s ihna im Guadn. Mit der Hautfoab hams kane guadn Koatn bei uns am Revier’. Ich habe dann zum Glück keine Vorstrafe gekriegt. Ich bin so froh, dass alles so ist wie es ist. Denn ich kenne mich selber.
Ist Wut bei dir ein großes Thema?
Voll, darauf wollte ich gerade kommen. Ich habe von klein auf Kampfsport gemacht – Taekwondo und Kickboxen –, aber mit 14 aufgehört. Da sind andere Sachen wichtiger geworden. Ich habe Fußball mit Freunden gespielt. Als das alles weg war, habe ich keinen Ausgleich mehr gehabt und meine Wut mehr rausgelassen – zum Nachteil der anderen.
Also war die Butterfly-Zeit im Vakuum zwischen Sport und Musik?
Ja, so circa (lacht). Geschrieben habe ich immer schon. Ich bin als Kind und Jugendlicher oft wie ein Wahnsinniger dagehockt und habe irgendwelche Textfetzen oder Parts geschrieben.
Um pubertäre Emotionen loszuwerden?
Es war nicht so gezielt. Ich hatte viele Zetteln voll, aber es ist eher nebenbei passiert, weil ich andere Sachen im Kopf gehabt habe. Das Wut-Thema ist deutlich besser geworden, als ich begonnen habe, mich auf die Musik zu konzentrieren. Weil ich die Wut plötzlich in Tracks kanalisieren konnte.
Funktioniert das bis heute?
Voll. Natürlich werde ich gerne mal haas, aber ich bin viel kontrollierter.
Hattest du richtige Wutanfälle?
Wenn mich etwas oder jemand genervt habe, war es – nüchtern auch, aber gerade in Kombination mit Alkohol – teilweise schon oag. Wenn ich heute angesoffen bin, werde ich eher lustig und habe nur Blödsinn im Schädel. Früher war es mehr Action.
Zurück zur Musik: Du tendierst auf den neuen Tracks mehr zum Hochdeutschen als früher. Auf dem Mixtape ist es ein Mischmasch, weil auch einiges auf Mundart gerappt ist. Hast du vor, den Mundart-Anteil weiter zu reduzieren?
Ich habe schon mehr hochdeutsche Fetzen drinnen. Die letzten zwei Tracks “Im Zweiten”und “180” sind komplett Hochdeutsch. Bei Features mit Leuten wie Hias Ledger schreibe ich natürlich auf Mundart, aber wenn es jemand ist, der auf Hochdeutsch rappt, dann rappe ich auf jeden Fall auch so.
Du hast vorhin gesagt, dass der neue Zugang natürlicher ist. Aber ist es natürlicher, wenn du die Sprache dauernd wechselst?
Das Ding ist: Ganz am Anfang habe ich eher auf Hochdeutsch gerappt und generell viel deutschen und englischen Rap gehört. Mundartrap habe ich lange nicht am Schirm gehabt. Durch Kroko Jack/Tibor Foco und die Mostheadz, die nicht weit weg von mir waren, war ich geflasht. Ich habe mich beim Rappen auf Hochdeutsch damals nicht ganz wohlgefühlt. Ich habe auf Mundart geswitcht, weil ich gemerkt habe, dass ich mir bisschen leichter tue. Aber vor der Chaotix-EP haben Rawo und ich auf Hochdeutsch geschrieben. Jetzt, wo ich wieder mehr auf Hochdeutsch schreibe und rappe, finde ich schon allein die Stimme viel nicer.
“Indigo” ist ein Mixtape – geht es sich für dich aus, die Sprachen auf einem Album zu kombinieren?
Die nächsten Soloprojekte will ich auf Hochdeutsch machen. Es macht gerade voll Spaß. Ich merke generell, dass viele, die sonst auf Mundart rappen, gerade mehr zum Hochdeutsch tendieren. Du kommst mit Mundart zu einem gewissen Grad, aber dann hört es auf. Man hat eine kleine Bubble, es ist eine Mini-Nische und wird von manchen nicht als vollwertiges Ding wahrgenommen.
Wobei es einige wenige schon rausschaffen – wenn man zum Beispiel an Kreiml & Samurai, Von Seiten der Gemeinde oder in Bayern die Dichtis denkt.
Eh. Bei den Vamummtn hat es damals auch voll funktioniert. Vereinzelt passiert es immer wieder. Es wäre voll oag, wenn es in Österreich mal 10 oder 15 Leute gibt, die auf Mundart so groß werden.
Würdest du sagen, dass der Wechsel eine strategische Entscheidung ist?
Ich würde sagen, eine logische Entwicklung. Ich will meinen Sound selbst feiern und verstanden werden. Ich habe viele Hawis, die nicht Mundart reden. Voll oft fragen mich Leute: ‘Du, kannst ma bitte die Lyrics schicken? I Versteh eh fast alles, aber manche Wörter check ich nicht’.
Aber ist das Mixtape ein Vorbote zu einem Album?
Ich habe schon vor, eines zu machen. Es muss nicht nächstes oder übernächstes Jahr sein, aber es ist geplant. Vorher möchte ich einfach bisschen releasen. Vielleicht Singles, ein Mixtape oder eine EP. Aber weiter Tracks machen und rausbringen. Es sind eh schon wieder voll viele Tracks entstanden, auch mit Hias Ledger, Kalp One und Al Pone. Wir haben alle viel auf Lager.
Siehst du wirklich beim Hören von Tracks Farben? Daraus ist ja die Titelgebung von “Indigo” entstanden.
Ja, voll. Ich habe seit meiner Kindheit Farben im Kopf, wenn ich etwas höre.
Welche waren das bei deinen alten Tracks? Und kannst du die immer klar bestimmen?
Kommt drauf an. “Er sogt” ist voll Orange. “Schwanken” ist blau. Es ist weird. Es war natürlich sehr grob. Auf einer Farbpalette könnte ich es dir viel genauer sagen. Beim Mixtape habe ich schon lange wegen eines Namens überlegt und paar Ideen gehabt, aber dann habe ich die ganze Zeit die Farbe Indigo im Kopf gehabt. Dann nenne ich es halt wie die Farbe, die ich die ganze Zeit beim Hören sehe.
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