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Nicht nur, aber auch Bon Jovi: Marteria & Casper mit „1982“ // Review

Nicht nur, aber auch Bon Jovi: Marteria & Casper mit „1982“ // Review

(Zwei Bernds tanken Super/Sony/VÖ: 31.08.2018)

Reunions sind eine schwierige Angelegenheit. Diese Erkenntnis mussten auch EPMD 1997 machen. Nachdem Erick Sermon und Parrish Smith Ende der 80er-Jahre bis Anfang der 90er-Jahre vier famose Ostküsten-Alben droppten, die allesamt im höchsten Qualitätslevel anzusiedeln sind, zerbrach das Duo im Jahr 1993 an internen Spannungen. Vier Jahre später kehrten die beiden aus Brentwood mit „Back in Business“ auf die Bildfläche zurück und konnten zumindest kommerziell reüssieren. Künstlerisch nicht zur Gänze, aber ein hymnischer Track wie „Da Joint“ oder das ikonische Cover brannten sich immerhin ins Gedächtnis ein. Zudem ist „Back in Business“ das letzte halbwegs gelungene Album von EPMD, hechelten Erick Sermon und Parrish Smith ihren frühen Glanzzeiten in der Folge nur noch hinterher. Der Faden war gerissen, wie bei Reunions nun einmal so oft der Fall.

Dieses Schicksal kann Casper und Marteria als Duo noch nicht ereilen. „1982“, im Artwork klar an „Back in Business“ angelehnt, ist schließlich der erste gemeinsame Wurf der beiden auf Albumlänge. Der nicht überraschend kommt, bestehen diesbezügliche Gerüchte schon lange. 2009 arbeitete die Bielefeld-Rostock-Combo auf dem Selfmade-Records-Sampler „Chronik II“ zum ersten Mal zusammen („Rock ’n‘ Roll“), danach folgten 2010 „Alles verboten“ auf Marterias „Zum Glück in die Zukunft“ und ein Jahr später „So perfekt“ auf Caspers „XOXO“. Zuletzt trug Casper auch einen Featurepart auf dem jüngsten Marismoto-Album „Verde“ bei (als The Friendly Ghost auf „Samstag der 14te“).

Daher war eigentlich nur das Erscheinungsdatum eines gemeinsamen Projekts ungewiss. 2018 macht dafür durchaus Sinn, legten sowohl Casper als auch Marteria vergangenes Jahr mit „Lang lebe der Tod“ beziehungsweise „Roswell“ für sich mental ungemein belastende Alben vor. „1982“ kann deswegen als künstlerische Spielweise herhalten, um sich von den Anstrengungen der verkopften letzten Werke freizuspielen.

Diese Gelegenheit nutzen die beiden. Auf ein ausgefeiltes Konzept wird verzichtet, Fragmente des ursprünglich angedachten Plots finden sich nur im Intro „1982 (Als ob’s gestern war)“ und im Outro „2018 (Gratulation)“. Auch die Auswahl der Beats, mehrheitlich von The Krauts angefertigt, lässt sich nicht in ein Schema pressen: So ertönt souliger BoomBap im Intro, UGK-Texas-Vibes finden sich auf „Omega“, Klaustro-Trap pumpt bei „Willkommen in der Vorstadt“ aus den Boxen und „Adrenalin“ baut auf Aggro-ATL-Sound, angereichert mit einer TheProdigy-Referenz. Beim Beat-Buffet haben die beiden mit einem überwiegend glücklichen Händchen üppig zugelangt.

Was Marteria und Casper mit den Beats anstellen, hat auch durchaus seine Momente. Vor allem der sonnige Roadmovie „Omega“ und die packende „Klassenfahrt“-Umkehrung „Willkommen in der Vorstadt“ erzielen hohe Ausschläge auf der Rap-Richterskala. Allerdings bietet „1982“ auf die gleiche Weise weniger gefälliges Material, die Abzweigung „Stadion-Rap“ ist eine nachvollziehbare, wenn auch nicht wirklich hörenswerte Route, die das Album nimmt. „Supernova“ und die Big-Band-Sound-Nummer „Champion Sound“ stechen hier besonders negativ hervor; Tracks, so glatt poliert, sie würden sich als Bewerbungsschreiben für die Stelle als Bon Jovi des Rap eignen.

Nicht die einzigen Male, in denen die Ideen der beiden nicht zünden: Die Trap-Hedo-Sause „Chardonnay & Purple Haze“ ist betont stumpfsinnig, plätschert jedoch ohne die notwendige Ignoranz leblos vor sich hin, „Adrenalin“ gestaltet sich als hochgezüchteter Festival-Banger mit viel Leerlauf in den Zeilen. Weniger energetisch schlägt das melancholische, im Öl der Nostalgie bratende „Absturz“ mit Monchi von Feine Sahne Fischfilet auf, das eine gewisse Feuerzeug-in-die-Luft-Romantik auch nicht verneinen kann.

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Apropos Romantik: Nahe am Telenovela-Kitsch präsentiert sich „Denk an dich“ mit der begabten Singer-Songwriterin Kat Frankie in der Hook. Auf der musikalischen Widmung für die Ehefrauen der beiden kratzen Marteria und Casper gerade noch die Kurve hin zum Akzeptablen. Aber in dieser Disziplin sind Casper und Marteria nun einmal Experten. Nicht der einzige vertraute Moment auf dem Album: Marteria liefert weiterhin manch verkrampft ulkiges Wortspiel („Mach‘ nur noch Antihits, nenn‘ mich Bad Sheeran“ auf „Absturz“) und vergisst auch sein Lieblingshobby, das Angeln, nicht, Casper kämpft stattdessen ungebrochen mit den Schattenseiten des Ruhms. Alles nicht neu, aber nicht störend, weil die stimmende Chemie zwischen dem monotonen Erzählstil Marterias und dem Reibeisen-Organ von Casper inhaltliche Schwächen kaschiert. Die beiden ergänzen sich schlichtweg gut.

Fazit: „1982“ ist ein kompaktes, mit Nostalgie angereichertes Album einer Premium-Kollabo, das einige Highlights bietet (das BoomBap-Intro, das sinistre „Willkommen in der Vorstadt“ oder das heitere „Omega“), stellenweise im Ennui herumstreift und auch einige Ausfälle verzeichnet, bei denen die Sehnsucht nach großem Stadion-Rap unüberhörbar ist („Supernova“). Insgesamt kein schlechtes, wenngleich nicht überragendes Ergebnis. Eigentlich genau wie „Back in Business“ von EPMD.

3 von 5 Ananas