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„Die machen die Art von HipHop, die zeitlos ist“ // Sureshot Festival Review

„Die machen die Art von HipHop, die zeitlos ist“ // Sureshot Festival Review

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Fotos: Thomas Steineder

Pünktliche Menschen haben es nicht immer einfach. Schon gar nicht, wenn man sich an die Timetables von Konzerten hält und dann doch schon das halbe Geld für Bier ausgegeben hat, bis überhaupt einmal die Vorgruppe begonnen hat. Mit dieser Erfahrung im Hinterkopf extra eine halbe Stunde später bei der Arena angekommen, um für die erste Gruppe passend zu erscheinen, ist diese auch schon wieder von der Bühne verschwunden. Nach der Wienzeile ist beim Sureshot Festival, veranstaltet von Advanced Society, äußerst Timetable-getreu bereits Average an der Reihe, der sich mit Sam von Hinterland und einem DJ Url in Scratch-Hochform präsentiert. „Es ist schon toll, wenn man um drei Uhr nachmittags ganz ungeniert Bier trinken kann“, meint Sam schmunzelnd zwischen zwei Tracks. Währenddessen gibt Average an, sich schon auf den später auftretenden Olli Banjo zu freuen und zeigt seine Freestyle-Fähigkeiten.

Etwas härter und mit engeren Hosen ging es bei Karate Andi aus Berlin-Neukölln zu. Die Tracks seines Debütalbums „Pilsator Platin“ bringt der selbst ernannte Boss vom Hinterhof gemeinsam mit Backup-Rapper Gustav, dessen Mikrofon leider zu leise gedreht ist, um eine wirkliche Unterstützung zu sein. Dem Publikum gefällt es trotzdem, wofür sich Karate Andi mit einem Kosenamen bei den Festivalbesuchern bedankt. „Ihr Zaubermäuse“ nennt er die Menge, ohne die das alles gar nicht möglich sei. Die ersten Zugaberufe des Tages sind dem Rap am Mittwoch-Battle MC dafür sicher.

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Zwischen den Konzerten am Festivalgelände herumgeschlendert, findet man „Hure i bin zua, oida“ T-Shirts von Vamummtn-Fans sowie brisante Aussagen. Einen Festival-Geher darauf angesprochen, wie er Curse denn finde, meint dieser: „Das ist doch so ein österreichischer Casper?“ Den finde er aber nicht so toll. Im Übrigen ist der Unmut darüber, dass das Festival kurzerhand in die Halle der Arena verlegt wurde, groß. Viele Besucher bleiben deshalb auch während der Konzerte auf der Wiese im Hof sitzen, oder verfolgen die WM-Spiele im Arena Beisl.

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Olli Banjo, der erst vor Kurzem sein Album „Dynamit“ veröffentlicht hat, ist der einzige Musiker an diesem Abend, der mit Live-Drummer auftritt. Dieser hat schon im Vorfeld mit einem hörenswerten Intro auf die Show aufmerksam gemacht. Auch wenn die Halle zu diesem Zeitpunkt nicht gefüllt ist, merkt man Olli Banjo an, dass er sichtlich Spaß an der Performance hat. Da darf ein Klassiker wie „Deine Sprache“ natürlich nicht fehlen.

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Zum Kontrastprogramm von Lance Butters drängen sich da schon mehr Leute vor die Bühne. Auch wenn der „Bruder im Geiste“ Bennett On diesmal nicht mit dabei ist, hat auch der eingesprungene DJ gut gedoublet. Lance weiß dabei genau, worauf es ankommt und wiederholt seine vier Eckpfeiler des Rap – Geld, Drogen, Groupies und Sex – immer und immer wieder. Mr. Selfish himself weiß eben, wie die Beats seiner Produktionen durch die Konzertboxen zu dröhnen beginnen.

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Und auf einen Stilbruch folgt der nächste. Retrogott und Hulk Hodn liefern einen tollen Auftritt ab, voraussichtlich ein Umstand, der durch die relativ frühe Stagetime begründet ist. Es wird über „Trüffel und Säue“ sinniert, „Benzin für zwei“ verschüttet und ästhetisch zu Jazz über die Bühne gefegt. „Denn beim Geld hört die Freundschaft auf, denn beim Geld fängt die Liebe an“, singt der 4TrackBoy verliebt bei „Puffromanze„. Und zur Überraschung gibt’s auch noch einen Freestyle zu dem Song, bei dem das ganze Publikum mitrappen kann. Mit „Was mich bei dir an Jesus Christus erinnert ist deine Mutter, weil niemand weiß, woher sie ihr Kind hat“, sorgt der Routinier für erstaunte Gesichter.

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Curse, ohne Brille, aber dafür mit Bart, bringt nicht nur seine „10 Rapgesetze“ sehr überzeugend, sondern fokussiert sich auch auf jeden einzelnen seiner Songs. Neben Stagediving sorgt er mit diesem Engagement wohl auch für die emotionalste Performance des ganzen Festivals. Mit „Und was ist jetzt“ zeigt Curse keine Bühenshow, sondern legt seine Gefühle offen. Den Track hat sein Freund und Produzent Patrick Ahrend komponiert, der vor zwei Jahren an Krebs gestorben ist – der Song ist ihm gewidmet. Nachvollziehbar, dass der Rapper nach dieser sentimentalen Nummer auch für keine Zugabe mehr gewillt ist.

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Im Gegenzug dazu spaziert Alligatoah inzwischen überdimensionaler Kochtöpfe, steigt auf Treppenelemente und in simulierte Duschkabinen. Ein perfektes Bühnenbild, in das sich ein immer anders verkleideter Alligatoah perfekt einfügt. Battleboi Basti als Backup fügt der Show seinen eigenen Geschmack bei, auch wenn beim Headliner des Festivals der Beat die Stimme der Rapper einige Male übertönt.sure_shot_www.steineder.org-93

Ein paar Besucher im doch recht durchgemischten Publikum gefragt, welchen Rapper sie überhaupt nicht verpassen wollen, kommen recht unterschiedliche Antworten. So meint Patrick zum Beispiel, dass er sich vor allem auf Alligatoah und Lance Butters freue.

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„Die österreichischen Acts kenn ich auch, aber hör ich nicht so gern, weil sie nicht so gute Musik machen wie die Deutschen.“

Anders sehen das diese zwei Besucher aus Graz, die sich für Retrogott und Hulk Hoden sogar ihren Weg nach Wien gebahnt haben. Trotzdem finden die zwei es schade, dass überhaupt keine Frau auftritt. „Wenn eine Frau auftreten würde, würde ich sie mir auf jeden Fall anschauen, auch wenn ich sie nicht kenn. Weil die doch oft einen anderen Zugang haben oder einen anderen Wind in die Szene bringen würden, das wäre schon nett gewesen“, meint die Grazerin.

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„Karate Andi hat das live nicht so gut cool rübergebracht, sage ich als alter 14-jähriger Aggro Berlin HipHopper, von dem ich mittlerweile Gott sei Dank ein bisschen weggekommen bin“, beurteilt der Steirer den Auftritt des Berliners.

Aus ähnlichen Gründen haben sich auch Andi und Daniel beim Sureshot Festival eingefunden. „Ich bin in erster Linie für Huss und Hodn gekommen, weil ich sie noch nie gesehen haben“, meint Daniel, während Andi ihm nur zustimmen kann. Die Zusammensetzung des Lineups sehen die beiden jedoch ein wenig kritisch. „Man sieht, dass wenige Leute da sind. Man könnte es einheitlich machen, also eher Prolo oder 90er, Backpack, wenn man das schubladisieren mag, dann entweder oder“, meint Andi. Und auch sein Freund ist der Auffassung, dass er die Gewichtung der Acts sowie Alligatoah als Mainact ein wenig komisch fände.

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„Wir sind zusammen für Huss und Hodn gekommen, die machen die Art von HipHop, die zeitlos ist. Retrogott gibt Sachen von sich wie „Doch ich brauch kein 3-D-Piece, mir reicht ein T-up“ das spricht mir total aus der Seele“, gesteht Andi (li.)

Vom Retrogott waren auch Bianca und Christina begeistert, obwohl sie doch eigentlich für Die Vamummtn und Curse gekommen sind. Bei ihm seien die Texte cool, und die Art, wie er gestikuliert hat. Aber auch Average und Dame hat den beiden Besucherinnen zugesagt.

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„Curse ist so das Lyrische, also das, was ich eigentlich gerne hab, und die Vamummtn sind nur zum deppat Schmäh-Hören.“

(JG)