Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute…
Immer wenn sich das Jahr zu Ende neigt, beginnt der große Rückblicke-Marathon: In Zeitungen, Magazinen, TV-Shows und natürlich auch auf vielen Online-Plattformen lassen Journalisten das Jahr Revue passieren, zeigen noch einmal auf, was vielleicht ob der vielen Ereignisse bereits vergessen wurde. Weil wir es aber eher langweilig finden, wenn immer nur aus Journalisten-Sicht berichtet wird, haben wir ein paar österreichische Rapper und Produzenten gebeten, uns ihre musikalischen Highlights aus 2018 zu verraten. Diese erzählen uns, wer sie heuer besonders beeindruckt hat, welche Songs auf Dauerschleife gehört wurden sowie auf welche Newcomer wir 2019 besonderes Augenmerk legen sollten. Zudem erfahrt ihr, was von den Künstlern und ihren Labels im kommenden Jahr zu erwarten ist.
Yasmo
Yasmin Hafedh steht seit ihrer Jugend auf Bühnen, ist fixer Bestandteil der deutschsprachigen Poetry-Slam-Szene und zählt als Yasmo zu den bekanntesten deutschsprachigen Rapperinnen. Mit ihrem Alter Ego Miss Lead hat die Wienerin auch schon Ausflüge in englischsprachigen Rap gewagt – als Hommage an Mike Skinner. Seit gut vier Jahren umgibt sie sich dazu mit einer neunköpfigen Jazzband und verbindet das alles zu Yasmo & die Klangkantine. Die Empowerment-Hymne „Mach, mach, mach“ ist die erste Videoauskopplung aus dem 2019 erscheinenden, zweiten Album der Band namens „Prekariat & Karat“. Zudem ist Yasmo gemeinsam mit Schmids-Puls-Sängerin Mira Lu Kovacs Kuratorin des Popfest 2019. Selbst live zu sehen ist sie mit der Klangkantine im März, wo sie eine Tour von Salzburg über Innsbruck und Dornbin nach München, Linz und zurück nach Wien führt.
Lylit – Mit „Blocks“ hat die Königin was Neues releast und it’s amazing! Bei Lylit weiß man halt auch einfach, wenn man sie einmal live gehört hat, oder durch ihre 2015 erschienene EP „Unknown“ durchhört, dass da ein Ausnahmetalent am Werk ist. „Blocks“ läuft (nicht nur bei mir!) auf Dauerrotation und auf alles, was noch kommt, freu ich mich schon, weil da kommt was!
Dendemann – JUHU! Mehr kann ich dazu nicht sagen. Oder doch. Er ist zurück, ich freu mich wie ein kleines Kind und bin so Fangirl, dass ich nix kritisieren kann. Außer vielleicht, dass das Flex-Konzert ins Gasometer hochverlegt wurde. Ob er was dafür kann, sei dahingestellt. Als Wienerin geh ich trotzdem hin, aber nicht ohne eine gewaltige Portion Gejammere von mir zu geben, weil Gasometer?! Come on!
Childish Gambino – „This is America“ Okay, ich kenn mich nicht mehr aus, ob er jetzt doch wieder was als Childish Gambino machen will, oder doch nicht? Oder als Donald Glover? Es ist mir im Grunde auch egal, alles was er macht, mag ich. Bitte also wieder was releasen 2019, danke!
SWANKSTER – haben mit ihrem New Yorker MC Al Richman ein extrem fettes Album rausgebracht, zu dem man gratulieren muss! Flows, die so facettenreich und einfach geil sind, Beats die vollgesteckt mit Ohrwürmern und fett produziert sind – was will man mehr? Ich durfte auch als Feature aufs Album hoppen (neben J. Hoard und Lylit) und bin extrem begeistert von dem, was die Jungs machen. Live sind sie übrigens auch mega! Bitte mehr davon!
Ebow – „Schmeck mein Blut“ heißt die neue Single von Ebow und läuft auch laut durch meine Wohnung! Ebow macht schon lange sehr gute Sachen und ich freu mich auf das, was 2019 kommt, sie geht auf Tour, ich geh hin!
Cardi B – „Invasion of Privacy“ ist so fett produziert und ich feier diese Frau! Mir ist auch egal, ob sie so ist, oder alles ein Act ist. Neben Run The Jewels mein neuer Lieblingssoundtrack beim Buchhaltungmachen. Ich freu mich, sie am Primavera zu sehen!
Esrap – „Kabadayi (Die Tage werden besser)“ Esra und Enes präsentieren sich im Video zu ihrer neuen Single professioneller denn je – damit will ich sagen: 2019 unbedingt Augen und Ohren offen halten für das Album von Esrap!
The Carters – „Everything is love“ – EH! Warum sag ich seit Jahren 1000 Liebe? Weil ich mit Zahlen über 1000 nicht umgehen kann. Die beiden schon. Hier auch wieder: Ich bin unfähig, Kritik zu äußern, weil ich alles von Beyoncé embrace. Das Konzert von OTR II hab ich mir in Nizza gegeben, Elton John saß ein paar Reihen hinter uns – was soll ich sagen? 1000 LIEBE!
Zu sagen bleibt vielleicht noch: Huckey, du fehlst! Mac Miller, du fehlst! Schön, dass ihr da wart!
Kinetical
Seit über einem Jahrzehnt zeigt sich Kinetical als umtriebiger MC, der hauptsächlich Dancehall-, Reggae- und UK-Bass-Gefilde bedient. Zudem steuerte er schon bei einigen heimischen HipHop-Tracks die englischsprachige Hook bei – zuletzt etwa auf „Zeichen der Zeit“ von Dynamic Drift. Nach seinem kurzen Berlin-Intermezzo stand das Jahr 2018 für den Linzer aber vor allem im Zeichen der im November auf Duzz Down San erschienenen „Ghost“-EP, die er gemeinsam mit P.tah aufgenommen hat und kürzlich im Zuge von Releaseshows in einigen Städten präsentierte. Für das Frühjahr 2019 kündigt Kinetical den zweiten Teil seiner Mixtape-Reihe „My Own Thing“ an, für die er wieder einige überschüssige Texte auf grimigen Beats verarbeiten dürfte. Was sonst noch bei Duzz Down San ansteht? Eine gemeinsame EP von Testa & the unused Word, eine weitere von Joja, ein neues Album von Scheibsta & die Buben sowie ein Instrumentalalbum von Mosch.
Releases
D Double E – Jackuum
Ich habe lange auf sein erstes Soloalbum gewartet und es hat mich sofort gepackt. Wenn man einen Artist schon lange verfolgt, aber immer nur mit einzelnen Singles oder Features abgespeist wird, ist die Erwartung mindestens so hoch wie die Spannung darauf. Die Beats sind zwar modern-trappy und nicht so oldschool-grimey, wie man es von einem Newham General gewohnt ist, aber die Produktionen von u. a. Rudekid, Footsie & Sir Spyro klingen sehr rund und stimmig, genau mein Vibe im Moment. Lyricswise ist der Lieblingsrapper meiner Lieblingsrapper wie immer on top und zeichnet mit seinen Bars die für ihn typischen comicartigen Bilder vom Hustle in den Endz. Auf dem Album sind so einige Zeilen zu finden, die mich im Bus oder in der Arbeit zum Lachen bringen. Blukku Blukku! Auch das Cover ist so genial, dass ich es am liebsten eingerahmt im Wohnzimmer hängen hätte.
Ocean Wisdom – Wizville
Tatsächlich habe ich Wiz erst so richtig am Schirm, seit mich P.tah im Frühjahr eingeladen hat, mit ihm die zwei Österreich-Stops seiner „Wizville Tour“ zu supporten. Def Ill hatte mir schon ein Jahr vorher den ein oder anderen Tune gezeigt, vom Album habe ich bis dahin aber nichts mitbekommen. Ich kaufte also die LP im Wissen, für den Typen in wenigen Wochen in Wien und Linz zu „warmuppen“ und war erstmal richtig geflasht. Er ist flowtechnisch so was von Boss für mich, da kann echt keiner ran. Einzigartige lyrische Akrobatik, ein Meisterwerk. Auch seine Show war das Beste, was ich live in den vergangenen Jahren gehört habe – live wie auf Platte on fleek. Auch sein Hype-Backupper, der allen anderen am Arsch ging, hat mich sehr geflasht.
Aplot & alllone – Still Broke
Ich bin auf die Jungs von alllone erst durch P.tah gekommen, nachdem wir den Tune „Blud“ auf einem ihrer Beats gemacht hatten. Ich war dann sehr gespannt auf die EP mit Aplot, die erst vor ein paar Wochen kam. Wir hatten die Ehre, auf ihrer Releaseparty in Graz zu performen, wo mich alllone mit ihrem Set richtig geflasht haben, mein Award für bestes DJ-Set heuer geht an sie. Ganz sicker Sound – ich dachte nicht, dass das in Österreich jemand so hochkarätig produziert. Ich lege diese EP jedem ans Herz, der auf Beats und Bässe steht.
Stefflon Don – Secure
Obwohl ihr Mixtape vor zwei Jahren noch etwas realer war, muss dieses Album auf die Liste. Es ist sehr cheesy und poppy, aber Steff weiß genau, was sie tut und hat es verdient, mit dem Ding groß rauszukommen. Ihre vielseitige Stimme und der ständige Wechsel von Ragga-Flow zu R’n’B-Singsang halten die Spannung, ebenso wie die vielen Featuregäste. Sie stellt nicht nur ihre UK-Konkurrenz in den Schatten, sondern lockt mit der Unterstützung von Lil Kim und DJ Khalid auch US-Größen wie Nicky Minaj und Cardi B aus der Reserve.
Songs
Skepta ft. Wizkid – Bad Energy (Stay Far Away)
Definitiv mein tune of the year. Skep und Wiz erschaffen einen einzigartigen Vibe auf diesem Beat von Sarz, auch das Video dazu ist Hammer. Ich bin ja irgendwie doch eher der Banger-Typ, wenn’s um Beats geht, aber das Ding ist soo easy und diese Pfeifmelodie am Anfang lässt mich sofort alles liegen und stehen, um einfach nur dem Song zuzulauschen und durchzuatmen.
Wretch 32 – His & Hers (Perspectives)
Ich kenne Wretch nur flüchtig von paar Features aus der UK-Szene, aber diese Nummer hat mir heuer durch so manche Beziehungskrise geholfen. Ich habe einige Zeilen so gefühlt: „Everytime I ring you, your phone was in your bag / but everytime I’m with you, your Phone is in your hand.“
Eminem ft. Joyner Lucas – Lucky You
Anfangs wehrte ich mich, das „Kamikaze“-Album zu hören, da ich echt kein großer Eminem-Fan bin und das letzte Album halt für’n Arsch war. Aber Def Ill zwang mich fast dazu, die LP auf mein iPhone zu laden und ihm eine Chance zu geben. Gott sei Dank! Hat mich sehr geflasht – nicht so, dass ich es in die Top-Album-Liste nehme –, aber „Lucky You“ ist ein Banger. Kürzlich kam auch noch ein geniales Video dazu.
Modeselektor ft. Flohio – Wealth
Das war einer der Momente, wo ich den Abwasch machte, auf dem kleinen Radio am Kühlschrank FM4 hörte und plötzlich kam ein Tune rein, bei dem du gleich dreimal so laut machen musst und mit der Pfanne in der Hand zum Dancen anfängst. Mit Spannung wartete ich auf die Abmoderation: „Das war die neue Nummer von Modeselektor“ – aber es wurde kein Feature-Artist oder Vokalist genannt. Da war ich schon am Googeln, denn ihre Stimme und Flows hatten mich derb geflasht.
Newcomer
Yael (Fifty Fifty)
Richtig viel versprechender Female-Deutschrap. Die Anfang des Jahres erschienene „Real_Fantasy“-EP hat mich schon sehr überzeugt, aber das vor etwa einem Monat releaste „KDDL“, produziert von Asadjohn, mit Video von Urban Tree Media ist richtig on a level. Wenn eine Rapperin Gefühl für jegliche Art von Musik hat, dann auch noch Gitarre spielen und Hammer Singen kann, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.
Paan
Der Linzer hat mich mit seiner Debüt-EP „Syndrom“ sehr überrascht. Instrumental-Beats höre ich ja eher selten, aber diese vier Tracks kann ich mir easy hintereinander reinziehen, ohne dass mir dabei was fehlt. Trotzdem hoffe ich, bald mal einen seiner Beats mit Vocals drauf zu hören, würde mich interessieren. Aber vor allem endlich mal wieder frischer Wind aus meiner Heimatstadt, abseits vom lahmen alten Boombap. Reinhören!
Misses U
Für Misses U geht ein intensives und erfolgreiches Jahr zu Ende. Während die in Wien lebende Sängerin laufend als Arrangeurin und Songwriterin der Pop-/Soul-A-capella-Formation Beat Poetry Club sowie als Featurepartnerin der Linzer Rapper K.S.Kopfsache und Def Ill in Erscheinung tritt und 2017 mit der „Just Mandkind“-EP ihr Solodebüt veröffentlicht hat, widmete sie sich im zweiten Halbjahr 2018 in erster Linie ihrem Soloschaffen. So stehen neben dem gelungenen, teils selbst produzierten Debütalbum „I Am Me„, auf dem Misses U auch erstmals rappt, auch einige Ausgaben der im Sommer gestarteten Live-Mash-up-Reihe „psychedeLIVEsessions“ zu Buche. Konkrete Pläne für 2019 gibt es zwar noch nicht, doch es dürfte munter weitergehen, wie Misses U verrät: „Ich bin gerade viel am Produzieren und Auschecken, mal sehen. Ein, zwei Tunes sind in Arbeit, die man schon als Single raushauen könnte. Was aber definitiv im Jänner kommt, ist eine Kollabo mit einigen österreichischen Rapperinnen und damit mein erster Part auf Mundart – BIG, BIG FEMALE POWER – stay tuned!“
Jordan Rakei
Jordan Rakei ist für mich derzeit definitiv einer der inspirierendsten Artists – und er wird’s vermutlich auch noch die nächsten Jahre bleiben. Mein Lieblingsalbum von ihm kam eigentlich
schon 2016 raus: „Cloak“. Ich habe den gebürtigen Neuseeländer und seine LP aber erst Anfang dieses Jahres entdeckt und er hat mich das ganze Jahr über musikalisch begleitet, deshalb schafft er es TROTZDEM in meinen Jahresrückblick (Was für ein Glückspilz! Haha). Das Ganze liegt irgendwo zwischen Neo-Soul, Jazz und komplexer gestaltetem Trip-Hop – love it!
Ocean Wisdom – Wizville
„The only thing you need to do right here is…nod your f***in head“ – thanks for that line, Busta Rhymes! Sie passt auch perfekt zu diesem Release. Ocean Wisdoms „Wizville“ – MEISTERWERK! Mit seinem UK-Accent hat er mich sowieso sofort für sich gewonnen.
Jorja Smith – Lost & Found
Die Dame ist 21 und schreibt Textzeilen wie: „You will never hear me say/Come hold me, console me/When really I’m lonely/Even if I feel this way/I don’t wanna feel this way/When I need someone/I don’t wanna need no one/I’m not tryna let you in (…)“ I WANNA HUG HER! Ich habe selten MusikerInnen gehört, die schon so jung so deepe Texte schreiben. Die Stimme ist sowieso der Wahnsinn!
Lady Leshurr ft. Mr Eazi – Black Madonna
Black Madonna lief bei mir dieses Jahr eine Zeit lang in Dauerschleife! Coolste Frau on earth – da kann man sich einiges abschauen!
5K HD
Eine Band, die Österreich meiner Meinung nach musikalisch einige Levels nach oben verfrachtet. „And to in A“ ist schon 2017 erschienen, ich höre die Platte aber seitdem immer wieder. Mira Lus
unverkennbare, klare Stimme, spannendes Songwriting und geniales Sound-Design in „HD“ macht’s so einzigartig. In einem Ö1-Artikel wird ihr Genre mit „Popjazzavantgardefunkdubstepprog“ betitelt. Es ist alles das und noch viel mehr, aber auf jeden Fall hörenswert – und das mehrere Male! Und vor allem ZUMINDEST EINMAL live!
Makz Stanley aka food for thought
Der gebürtige Luxemburger war lange Techno-DJ, bevor er seine Leidenschaft für die langsameren bpm-Zahlen entdeckt hat. „Der Umstieg war sehr komisch. Vorher habe ich mit Synthesizer und Drumcomputer elektronische Sounds gemacht und dann kommst du zu HipHop und das alles bringt dir irgendwie gar nichts mehr“, sagt er. Die jetzigen Beats seien viel organischer, komplettiert durch akustische Samples. Heute ist Makz Stanley, der auch den Produzentennamen food for thought hat, Teil der Heiße-Luft-Crew und Mitglied von 3€. Nebenbei veranstaltet er auch regelmäßige Events namens „Each One Teach One“ im Elektro Gönner. Was bei Heiße Luft 2019 ansteht, verrät Makz auch schon: „HipHop Joshys Mixtape kommt endlich am 4. Jänner 2019. Außerdem erscheinen noch ein Album von JerMc & Gigolo D, ein Werk von WSDG & Melonoid, die Impetus VOl.3&4 Tapes sowie was von Tudas & Devaloop und EPs von Pascal und Fellowsoph.“ Neben den Produktionen für Heiße Luft arbeitet Makz Stanley auch an Tracks mit Heinrich Himalaya, Böser Wolf aka Young Telefon, „also hier und da a bissi, Dinge konkretisieren sich erst„, sagt er.
OG Keemo & Funkvater Frank – Skalp
Ich bin vor einem Jahr auf die beiden aufmerksam geworden – durch 1 bis 2 Tracks, die noch unter dem Namen „Daimajin“ auf Zonkeymobbs Soundcloud herumschwirrten. Spätestens mit dem 2017 erscheinenden Release „Neptun“ war ich dann komplett von dem Sound eingenommen. Vor dem „Skalp“-Release lagen die Erwartungen also extrem hoch, man kann aber gleich sagen: Sie wurden wieder übertroffen. Frankis unendlich runtergepitchten Samples auf den dicksten 808-Basslines sind der perfekte Klangboden für Keemos Lyrics. Genau mein Ding.
Kojey Radical – „If only they knew / Water“
Bei dem Split-Video gefällt mir neben der extrem ausgereiften Produktion einfach die Stimme von Kojey, seine gänsehauthervorrufenden Lyrics und die Perfomance der Tänzerinnen. Gekoppelt mit der Aktualität des Themas und dem Kontrast zwischen dem ersten und dem zweiten – ruhigeren – Teil mit Mahalia und Swindle, ist das einfach nur ein Hingucker von Anfang bis Ende.
J.I.D. – DiCaprio 2
J.I.D.s drittes Album erscheint auf J.Coles Label Dreamville, heißt DiCaprio 2 (Ja, wegen Leonardo DiCaprio, J.I.D. ist nach eigenen Angaben großer Fan des Schauspielers) und die Bangerdichte könnte nicht größer sein. Mit der Beatauswahl on point und den ungewöhnlich vielen Flowchanges in den nicht grad von „Money, Bitches & Fame“ durchwachsenen Lyrics trifft das Album meinen Geschmack. Mit Rappern wie A$AP Ferg, Method Man, Joey Bada$$ und dem Labelboss J.Cole persönlich ist auch was Features angeht, nicht gespart worden – und die Tracks klingen richtig dope.
Serious Klein – You Should’ve Known
Serious Klein hab ich auf dem Colors-Youtube-Kanal entdeckt. Die Single „91 Flex“ ging sofort ins Ohr und so war es auch kein Wunder, dass sein Album „You should’ve known“ einschlägt wie eine Bombe. Der Berliner spittet in perfektem Englisch über Gott und soziopolitische Missstände in der Gesellschaft, nicht zu Unrecht deshalb auch der wiederholte Vergleich mit Kendrick Lamar. Mit seinen einzigartigen Flows und den top notch Produktionen hat er für mich dieses Jahr richtig abgeliefert. Bin gespannt, was in Zukunft da noch kommen wird.
Earthgang – Up
Als Mitgründer des Musikkollektivs „Spillage Village“, zu dem u. a. J.I.D. und 6LACK gehören, releasen die zwei Rapper aus Atlanta paar Mixtapes und EPs. Mit ihrem Debüt-Album „Strays With Rabbies“ machen sie endgültig auf sich aufmerksam und unterschreiben 2017 bei J.Coles Label Dreamville Records. Drei EPs hauen sie über das Label raus, mit Bangern wie „Meditate“ überzeugen auch diese
Veröffentlichungen mit durchdachten Lyrics und zeitgemäßen Produktionen. Doch mit dem Track „Up“, der mit Liveperformance auf dem Berliner „Colors“ Youtubekanal hochgeladen wurde, stürmen die Erwartungen bei mir rasant in die Luft. Das mit dem Song angeteaste Album „Mirrorland“ kommt angeblich im Februar 2019 und ich kann’s kaum erwarten, der Track war für mich der Track des Jahres.
Jonas Herz-Kawall – Tr.i.p.: The Rappeur Rip
Aus eigenem Hause zwar, aber erwähnenswert, weil sehr dope: die EP „Tr.i.p.: The Rappeur Rip“ von Jonas Herz-Kawall. Im September wurde die EP als free download („name your price“) auf der „Heiße Luft“-Bandcamp-Seite hochgeladen. Die fünf Tracks wurden alle von verschiedenen Beatmakern produziert, einen davon hat Jonas selbst gebastelt. Die Thematik reicht von Kaffee, Weed, durchzechten Partynächten und schönen Menschen, i.e. Freunde. Also alles, was einen gut süchtig machen kann im Leben, erzählt mit den schönsten Wortspielen (der Hawara writet nämlich auch für seinen real job), macht das zum sehr heißen Release von 2018.
Dacid Go8lin
Dacid Go8lin, die Gründerin des Labels und Kollektivs Femme DMC, releaste als Vorgeschmack auf eine für 2019 geplante EP die „Qart“-EP. Auf sieben Tracks möchte die Wienerin mit kosovarischen Wurzeln eine persönliche Emanzipationsgeschichte erzählen, bezieht sich dabei stark auf ihre Erfahrungen in Österreich. Die albanischen Texte widmen sich Themen wie Migration, Queerness, Feminismus und Identität. Als Veranstalterin und Rapperin ist es ihr wichtig, die Menschen zusammenzubrigen. „Wenn wir gemeinsam auf einer Tanzfläche stehen, lassen wir das alles los. Wir machen uns keine Sorgen über das, was gestern passiert ist oder was morgen passieren wird, wir sind für einen kurzen Moment nur beieinander. Und das ist die Kraft der Musik„, sagt sie. Für den Jahresrückblick hat sie nur Künstlerinnen ausgewählt, „weil ich will, dass Frauen in der Szene wegen ihrem Talent und ihrer Kunst wahrgenommen werden, und nicht nur weil sie sich als Sexobjekt im Hintergrund von Musikvideos gut machen. Außerdem denke ich, dass es unabdingbar für die Zukunft ist, dass wir uns unter Frauen vernetzen und gegenseitig unterstützen.“ Sie habe schon so oft ein überzogenes Konkurrenzdenken unter Frauen erlebt, was den künstlerischen Fortschritt viel mehr lähme als dass es jemanden voranbringe. „Ich strebe danach, eine Gemeinschaft aufzubauen, in der wir gegenseitig dafür sorgen, dass wir wachsen und gemeinsam erreichen, dass wir irgendwann nicht mehr über Geschlechter reden müssen, weil jeder Künstler und jede Künstlerin dieselben Chancen hat“, sagt Dacid Go8lin. Femme DMC startet gleich am 1. Februar mit UK-Rapperin Paigey Cakey als Headlinerin, am 7. und 8. März findet das Symposium „Female Hip Hop is the future“ in Wien statt.
SEINABO SEY – I Owe You Nothing
In „ I Owe You Nothing“ fordert Seinabo Sey Selbstbestimmung. Sie spricht aus, dass jeder Schritt, den eine Frau tut, im Moment oft noch von Männerdominanz definiert ist, dass Bewegungen und Worte aus Gewohnheit so gewählt werden, dass sie dem männlichen Bild von Weiblichkeit entsprechen. Dadurch erfahren viele Frauen nicht, wie es ist, sich selbst auszudrücken, ohne dabei in ein bestimmtes Bild passen zu wollen: „I don’t have to walk for you. I don’t have to talk to you. See, I’m not on display. Never was, never will be for you.“
Bella Diablo – Endlich Lebendig
Ich kenne Bella Diablo mittlerweile seit zehn Jahren. Wenn ich eins weiß, dann das, dass sie immer ihrer Zeit voraus ist. Ihre neuen Doubletime-Bars, welche viel über ihre Geschichte erzählen, geben dem Ganzen eine Portion Schärfe und Provokation. Mit dem neuen Producer bzw. dem legendären Def Ill, der einfach alles killt mit den Beats, ist es genau das, was deutscher Rap braucht.
Janelle Monae – Django Jane
Female Power vom Allerfeinsten. Mit Django Jane startet sie einen Pussy Riot, welcher über sechs Millionen Aufrufe bringt. „We gave you life, we gave you birth We gave you God, we gave you Earth, We fem the future, don’t make it worse, You want the world? Well, what’s it worth?“
Koffee – Toast
Koffee bringt endlich Female Power in die jüngste Reggae-Generation. Mit „Toast“ hat sie als Debüt gleich einen Ohrwurm geschaffen.
O7O Shake – Accusations
Die indigene Rapperin aus den Staaten erobert seit Jahren Herzen aus aller Welt, in dem Song „Accusations“ spricht sie über ihre lesbische Liebe.
Kid Pex
Erst kürzlich haben Kid Pex und Kroko Jack mit der gemeinsamen Nummer „So viel Polizei“ für Aufregung gesorgt. Dabei fügt sich der Song in eine lange Liste gesellschaftskritscher Songs von Kid Pex. ein. Der Wiener Rapper mit kroatischen Wurzeln verfügt über einen ausgeprägten Hang zur Thematisierung gesellschaftspolitischer Umstände, ohne sich dabei ein Blatt vor dem Mund zu nehmen. Trotz des erwarteten und eingetroffenen politischen Gegenwindes büßten die Texte von Kid Pex nicht an Radikalität ein, wie die Tracks „Norbert Hofer“ und „Antifašista“ bezeugen. Im Gegenteil: Linke Ideale und antifaschistische Kampfrhetorik werden von Kid Pex weiterhin mit Inbrunst vertreten. Auch für 2019 kündigt Kid Pex weitere Statements an: „Es wird noch mehr sogenannte ,Skandale‘ geben, noch mehr Lieder, die noch mehr für Aufregung sorgen und noch mehr Leute verärgern und aus ihren Verstecken herauslocken werden – Szene mit eingerechnet. Vielleicht fühle ich mich reif für eine deutschsprachige EP. Mal schauen, auf jeden Fall heißt es wieder: Keep it Jugo, do it Švabo in Wien oida, Beč oida.“
Def Ill – No-Notstand-Notes EP
Einer der ärgsten Rapper überhaupt neben Kroko Jack in Österreich. Zu real für den Mainstream, zu gut für Rap selbst, weil die meisten, logischerweise egofokussierten Rapper Komplexe beim Hören kriegen. Die Nummer „Spoilealarm“ ist eine der besten Anti-Suizid-Nummern, die ich je gehört habe – und wirkt ähnlich wie Sljivovica. Nur nicht aufgeben.
Capital Bra – Berlin lebt
Ich hab‘ das Album auf Kur (Wirbelsäulen-Rehabilitation) sofort gefeiert und totgehört. Wortwitz, Härte, Straßen-Deepness und verdammt geile, eingängige, proletoide Hooks. Man hört diesen slawischen Hunger, aber gleichzeitig auch diesen spezifischen Humor, der ihn so sympathisch macht.
Kinetical & P.tah – Ghost
Das Release klingt für mich, als würde es aus dem Vereinigtem Königreich kommen und nicht aus Wien. Finde das Album sehr gelungen. Zeigt auch, wie sie – trotz der Trends und dem Faktum, dass Grime-Sound hierzulande keine nennswerte größere Fan-Community hat – dran bleiben, dass machen´, worauf sie Lust haben. Im Prinzip leisten sie, auch trotz des Veteranen-Status, noch immer Pioniersarbeit.
Schwesta Ewa – Aywa
Eines der besten Deutschrap-Alben des Jahres. Ich feier schon lange ihre musikalische Attitüde: die starke Puff-Mama in einer patriarchalen Branche, eine Rotlicht-Alfa-Feministin und gleichzeitig Ewa, die proletioide, aber immer mit ihrem Reimen ins Schwarze treffende Strassenphilosophin. Schwesta Ewa hat mit diesem Album soundttechnisch definitiv den Sprung in die Moderne geschafft. Hart und direkt, witzig und authentisch – Schwesta, Schwesta!
Kreiml & Samurai – Wuff Oink
Ein österreichischer Hip-Hop-Classic. Das kann man jetzt schon sagen. Meine Favourites: „Hoib zehn“ (fast mein liebstes Lied auf dem Album), „Gegensprechanlog“, „Ois hot a End“ und – no na net, die Hymne aller Hymnen dieses Jahres – „Wiener“. Freue mich sehr und bin stolz auf die Burschen, mit denen wir vor elf Jahren noch im gleichen Kinderzimmer vom Ill Eagle gemeinsam aufgenommen haben.
Hinterkopf
Neben seiner Tätigkeit als Pianist hinterlässt Hinterkopf zunehmend auch im HipHop-Bereich seine Spuren. 2018 bezeichnet Hinterkopf als besonders arbeitsintensiv – Produktionen für Vearz, Ali Capone, Adem Delon, Matthew und Hunney Pimp unterstreichen, dass der Musiker bestens vernetzt ist. Nachdem er heuer mit Tracks wie „Tick Tack“ erstmals auch als Rapper in Erscheinung getreten ist, arbeitet der Wiener mit albanischen Wurzeln derzeit mit Hochdruck an seiner EP „Weltverkehrt“, die er fürs Frühjahr 2019 ankündigt. Mit seinem ersten Release möchte er sich klar von der Masse abheben: „Mir ist deutscher Rap etwas zu sehr zur Kopie einer Kopie geworden und irgendwie klingt schon wieder fast alles gleich.“ Um dieses Ziel zu erfüllen, hat sich Hinterkopf die vergangenen drei Monate etwas zurückgezogen und „wie im Wahn geschrieben.“ Auf die EP soll neben einer kleinen Tour mit Vearz auch ein mehr im Pop-Bereich angesiedeltes Projekt mit der Sängerin Leesa. folgen.
RON21
Unter vielen guten und kreativen Newcomern hat mir Ronny besonders gut gefallen. Mit seinen starken Skills erinnert er einen an die 90er-Jahre, gleichzeitig wirkt aber alles leicht und fresh mit Elementen von heute. Raptechnisch ist der Typ krank und flowt, als wär er Biggies Onkel – komplette Abwechslung zu so vielem, was zurzeit abgeht.
Matthew
Ich hatte schon das Vergnügen, in Maths neues Album “Märchenland Business“ reinhören zu dürfen. Er ist meiner Meinung nach ein Geheimtipp für 2019. Mit seinem unverkennbaren Stil zeigt er eindeutig den Weg in Richtung Zukunft. Die Platte wurde, wie schon sein Anfang 2018 erschienenes Werk „Schatten der Gesellschaft“ gemeinsam mit MathThaMaze produziert. Lieblingssong: „Regen“.
Edwin
Edwin ist für mich ein Matrix-Architekt. Er erweitert die HipHop-Kultur mit Freshness und versteht es wie kein anderer, Swag und echt starke Zeilen zu kombinieren – einfach genial. Der Dude ist fresher und unterhaltsamer als 90 Prozent aller Musiker, die ich 2018 gehört habe. Lieblingssong: „Alice“.
Lukas Antos
Lukas Antos erinnert mich an gute alte Musik. Zurzeit haben den Jungen noch nicht viele am Radar, aber in Sachen Austropop beziehungsweise Wiener Pop wird der Stadlauer in Zukunft wohl das Maß aller Dinge. Unbedingt im Auge behalten! Lieblingssong: „Fernweh“.
Rapterror
Aus zuverlässigen Quellen weiß ich, dass Rapterror wieder zurück im Studio sind und gerade ganz org aufdrehen. Sie haben ein gewaltiges Potenzial, sind top-fokussiert und ich denke, sie sind noch stärker und erfahrener als je zuvor. Ich prognostiziere das stärkste Stonepark-Produkt seit Langem. Lieblingssong: „Liebe bleibt uns fremd“.
B.Visible
Im Dunstkreis der Honigdachs-Crew bewegt sich der Wiener DJ und Produzent B.Visible mit musikalischer Gewandtheit zwischen Glitch, Funk, House und HipHop, hat Tracks für Kreiml & Samurai oder Crack Ignaz produziert und ist als Live-DJ mit Monobrother unterwegs. Übrigens haben beide, B.Visible und Monobrother, Alben für 2019 angekündigt.
Vaudou Game – Otodi
Grandioses Afrofunk-Album. Unüberhörbar sind die Einflüsse von James Brown und Fela Kuti, die aber keinesfalls der Individualität der LP im Wege stehen.
Kamaal Williams – The Return
Liebe die verspielten Drumpatterns, schönen Akkordfolgen und die warme analoge Klangästhetik.
Nu Guinea – Nuova Napoli
70er- und 80er-Jahre inspirierter Disco mit sehr eingängigen Synth-Lines und italienischen Vocals. War definitiv mein Sommer-Soundtrack und hat somit auch in keinem DJ-Set gefehlt.
Young Krillin & Crack Ignaz – Bullies in Pullis 2
Perfekte Symbiose der Hector Marcello und HPF Gang.
siebzig prozent – Brettljausn
Wolfi F. und Tommi Z. lehren auf ihrem Debütalbum einen gesunden und abstinenten Lebensstil. Meditations-Musik, um die Zeit zwischen Yogastunde und veganem Kochkurs effizient zu überbrücken.
Konzept & Text: Julia Gschmeidler & Simon Nowak
Collage: Niko Havranek
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Liebt deutschsprachigen Rap und Taylor McFerrin. In jeder freien Minute verbessert sie, hievt Beistriche wieder auf ihren richtigen Platz und hält die ganze Bande mit liebevoller Strenge zusammen. Nach dem Dienst im KURIER-Newsroom hört sie dann eine Zugezogen-Maskulin-Platte zum Einschlafen.