Deschek vom Message. Gebts ma an grünen Avatar heast!
Die bereits vierte Wien-Ausgabe von „Rapper lesen Rapper“ birgt einige Neuerungen im Vergleich zu den vorherigen Veranstaltungen der Reihe. Die Wichtigste vorweg: Da im ersten Wiener Gemeindebezirk leider kein Tetrapak-Wein aufzutreiben war, gibt es als Ersatz edle rote (und weiße!), in Glasflaschen gefüllte Tropfen von der Tankstelle. Anstelle der im Werk X Eldorado gelegenen Tanzbar Curtain finden die Lesungen im gegenüberliegenden Theatersaal statt, wo Moderator David Scheid aka DJ DWD Unterstützung von Co-Moderator Fozhowi alias Heinrich Himalaya bekommt. Die gsacklten Gastgeber führen mit den sechs lesenden Acts – inklusive einem Überraschungsgast, der kurzfristig für DJ Sticky einspringt – jeweils ein Kurzinterview am runden Tisch, bevor die Rapper ihre ausgewählten Texte vortragen.
Die Veranstaltung beginnt mit dem obligatorischen Jingle-Intro und nach einer etwas abgespeckten Anfangszeremonie der Moderatoren findet sich mit dem Mundart-Enthusiast Kayo bald der erste Gast zum Gespräch ein. Dieser habe zunächst mit englischsprachigen Raps begonnen, aber aufgrund von eher bescheidenen Sprachkenntnissen bald auf Deutsch geswitcht. Die Moderatoren lenken das Gespräch in weiterer Folge geschickt in Richung Cloudrap. DWD spricht von einer „dadaistischen, fast schon nihilistischen“ Kunstform. Kayo antwortet unter Gelächter mit „jo, des is a hoata Brockn“. Nun ist die Zeit reif für für den ersten Text, der Wahl-Wiener hat sich für Eminems „My Name Is“ entschieden – in einer Mundart-Rap-Version. So wird aus Slim Shady „da dünne Dubiose“. Das klingt auszugsweise so: „Wenn i red, dann schlatz i, i zafick ois auf zwa Haxn.“ Kayo rechtfertigt sich für diese brachialen, für ihn so untypischen Worte: „i hob’s ned gschriebn.“
Mit einem kryptischen Pressetext werden die einzigen weiblichen Vortragenden des Abends angekündigt. G-UDIT und $CHWANGER – die Mitgliederinnen der vierbusigen KLITCLIQUE – erscheinen bestückt mit Kappen und viel Glitzer. Angesprochen auf ihren Pressetext antworten sie: „Je dümmer, desto Kunst.“ Die selbst ernannten Label-CEOs haben in diesem Jahr mit dem Track „DER FEMINIST F€M1N1$T“ vorgelegt und möchten 2017 über SCHLECHT IM BETT RECORDS ein Album veröffentlichen. Als Kostprobe haben sie erwerbbare Tapes mitbebracht. Ihr Kommentar dazu: „Die nehmen wir immer mit, wenn die Gage schlecht ist.“ Eine johlende Meute ist ihnen sicher, bevor sie sich zum Lesepult begeben. Energisch tragen sie den bedingt abwechslungsreichen Text des zeitlosen Taktloss-Tracks „Was macht mein Label“ vor. Die beiden variieren bei den gefühlt 500 Wiederholungen des Frage-Antwort-Spiels gekonnt die Stimmlage – auch Tempo und Lautstärke werden stetig angepasst. Mittendrin rollen sie Plakate aus und machen Werbung für ihre Vinyl-Releases.
Bevor es in die Halbzeitpause geht, wird der Rote Drache aka Mealin aka Raptoar nach vorne gebeten. DWD gesteht sich ein, ihn im Zuge der Salzburger RlR-Edition versetzt zu haben. Es geht also um Wiedergutmachung. Da Raptoar in den vergangenen Jahren von der Bildfläche verschwunden ist, erinnert Heinrich Himalaya an die Werke des Mundart-Rappers. Vor allem das Album „Roar“ habe ihn überzeugt. Darüber hinaus bekommt er Lob für seinen „mystischen, kraftvollen Style“, worauf der Salzburger entgegnet: „I wollt mi immer aus dem Jetzt entfernen.“ Jetzt sei er jedenfalls wieder motiviert, etwas zu machen. Raptoar liest – ungewohnt mit Flatcap am Kopf – „Sternstunde“ von Freundeskreis, weil das damals vermittelte Gefühl „imma no einigeht“ und der Track ein Meisterwerk sei, das ihn geprägt habe. Er liest deutlich und mit seiner unverwechselbar druckvollen, fast hypnotischen Stimme. Dass er zwischendurch kurz den Faden verliert, schiebt er auf sein Kindle: „I hätts wohl ausdrucken soin.“
Nach der Pause wird mit Jamin der „Nate Dogg der Alpen“ angekündigt. DWD dazu: „Keiner kann die kantige Tiroler Sprache so smooth und seidig ausdrücken wie er.“ Foz betrachtet ihn hingegen eher als österreichischen Snoop Dogg. Der Soulbrother verzichtet auf den angebotenen edlen Tropfen, da er generell keinen Alkohol trinke. Im längsten Interview des Abends stellt er zerknirscht fest, dass die 15 Jahre in Wien ihre Spuren hinterlassen haben. Schließlich werde sein Tiroler Dialekt von den alteingesessenen Tirolern nicht mehr akzeptiert. Auf Wienerisch mag er aber trotzdem nicht rappen, das klinge eher, als wolle er die Sprache verarschen. Jamin fällt weiters auf, dass viele Nicht-Jamaikaner Patois verstehen. „Des plon i mit Tirolerisch a“, gibt er an, worauf das Publikum mit kräftigem Applaus und Gelächter antwortet. Zum Ende des Gesprächs merkt er an, dass auf „Augenring„, seinem aktuellen Album mit Fid Mella, „nur a Song ernst gmoant isch und der hoaßt Nutten“. Nach dem Tischwechsel liest der gut gelaunte Jamin den in Deutschland indizierten Fanta4-Track „Frohes Fest“ vor. Der derbe, satirisch-zynische Text, den Jamin auf Hochdeutsch vorträgt, sorgt für einige Schmunzler.
Es folgt der Überraschungsgast Slizzer. Der Luxemburger zählt sich zur „ersten YouTube-Beatboxer-Generation“ und gibt an, keine stilistischen Präferenzen zu haben. Auf die Frage nach einer 30-sekündigen Hörprobe antwortet er: „Ich mag smoothe Musik, Fahrstuhl-Musik ist genau mein Ding!“ Die darauffolgende Darbietung überzeugt. Der Beatboxer zeigt sich offenbar auch offen für whacke Künstler: „Untalentierte sind auch okay, solange sie ihre Sparte finden. Das ist im Pop und HipHop eh üblich.“ Was die Lesung betrifft, bleibt der starke Deutschrap-Fokus bestehen, denn Slizzer liest „Ich So, Er So“ von Eins Zwo. Er sei eben mit Deutschrap aufgewachsen und großer Dendemann-Fan.
Zum Abschluss kommt „ein Mensch mit viel Platz für Wein“ und „ned nur in Bezug auf die Körpergröße einer der größten österreichischen Rapper“. Richtig, es handelt sich um Skero. Dieser erklärt, dass sich sein Chamäleon nach drei Tagen zu Tode gefressen habe beziehungsweise an zu viel Futter erstickt sei. Der Realness-Frage weicht der Lulatsch gekonnt aus: „Real is, wos jetzt passiert, real existiert und des hob i nie vastondn.“ Es kommt zu einem interessanten Vergleich von Wienerlied und Dancehall, schließlich sei beides zur Klatschverbreitung gedacht. DWD versucht, sich sinnvoll einzubringen und meint, dass das Wienerlied sehr Punchlinelastig sei und Helmut Qualtinger das hervorragend beherrscht habe. Skero entgegnet mit der Kompetenzfrage.
Langsam wird der letzte lyrische Vortrag des Abends – „Prinzessin Gspritzt“ von Monobrother – zum Gesprächsthema. Skero habe den ähnlich großen Rapper vor ein paar Jahren als neuen Freund seiner Cousine kennengelernt und nach dem Release von „Unguru“ mit ihm die Kollabo „Kopf Im Gnack“ aufgenommen. Vorab entschuldigt sich Skero für seine bescheidenen Lesefähigkeiten: „Des hob i scho in da Voiksschui ned können.“ In sympathischer Manier und kombiniert mit reichlich Selbstironie traut er sich über die grandiosen, pointierten Textstellen. Dabei klingen nicht nur die französischen „Fuaßboi„-Bezüge abenteuerlich. Als „Bestrafung, weil i so a schlechter Leser bin“, feuert Skero noch einen weniger bekannten Kroko-Jack-Part aus dem Unsichtbaren-Album „Schwarze Erde“ nach, ehe die Veranstaltung unter verdientem Applaus zu Ende geht. Fein war’s, die nächste Ausgabe kommt bestimmt. Bis irgendwann im nächsten Jahr!
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