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“Eine Hommage ans Samplen an sich”

“Eine Hommage ans Samplen an sich”

Restless Leg Syndrome_0878
Wir treffen zwei der drei Mitglieder von Restless Leg Syndrome, Testa und Chrisfader, einen Tag nach der Duzz Down San Labelnight in ihrer WG im 15. Wiener Gemeindebezirk. Darin Regale voll gespickt mit Platten, DJ Equipment, eine kleine Recording Ecke – kurzum: alles, was das Producer-Herz so begehrt. Testa erzählt von seinem nächtlichen Gespräch mit einem „Punk-Head“, der ihrem Label Props für die musikalische Vielfalt gegeben habe. Dafür steht auch Restless Leg Syndrome mit Altmeister d.b.h (Total Chaos), die sich diesmal mit der neuen EPDabkeh bis in den Libanon vorgetraut haben. 2253 Kilometer trennen Wien und die libanesische Hauptstadt Beirut und trotzdem bringen die drei Tiroler mit ihrem energiereichen, rhythmisch abwechslungsreichen Sound eine Spur libanesischen Flavour ins Wohnzimmer. Was Samplen für eine Macht hat, warum Hip Hopper keine Diebe sind und was österreichischer Rap nicht zuletzt Texta alles zu verdanken hat, erzählen sie in entspannter Athmospähre im Gespräch mit The Message. Die Fragen an d.b.h wurden per Mail nachgereicht.

Interview: Niklas Hintermayer
Fotos: Daniel Shaked
Transkription: Jérémie Machto

The Message: „Dabke“ ist ein orientalischer Folkloretanz, bei dem man sich an den Händen hält und mit den Beinen stampft. Wie seid ihr auf den Titel gekommen und was wollt ihr damit ausdrücken?
Chrisfader:
In erster Linie ist  d.b.h schon immer ein Riesenfan der gesamten arabischen Kultur gewesen. Er hat eine Libanesin geheiratet und dementsprechend schon seit mehreren Jahren Familie und Verwandte in Beirut. Wir haben vor drei Jahren beschlossen, dass wir mal zu dritt ein Projekt angehen und Beats machen, die bisschen „nach vorne gehen“. Weil wir drei legen auf und stehen drauf, Sample-Beats zu machen. Wir haben uns dazu entschlossen, themenbezogene Platten zu machen, wobei bei der ersten das Thema Swing war. Das war der Testlauf, der uns viel Spaß gemacht und gut funktioniert hat. Und für die zweite EP wollte Holger (d.b.h, Anm.) das arabische Thema angehen, weil er schon so viele Samples gediggt hat. Bei der nächsten Platte kann man davon ausgehen, dass sich irgendein anderes Thema durchziehen wird.
d.b.h: Ich höre seit vielen Jahren arabische Musik und ich war immer von der Energie beeindruckt. Die vielen perkussiven Elemente haben mich immer fasziniert und einiges davon hab ich schon in Songs gesampelt – schon zu Total Chaos-Zeiten. Die Platten habe ich über Jahre gesammelt und einige von Familie und Freunden bekommen. Der größte Unterschied zum Westen besteht darin, dass die alten Songs immer noch Bedeutung haben und alle, auch die Jungen, die Texte können. Das heißt, in einem libanesischen Restaurant muss man jederzeit damit rechnen, dass alle aufspringen und mitklatschen und -singen, wenn die richtige Nummer kommt. Zum samplen war es eigentlich aufgelegt für uns…lange Intros, viele Breaks, Tempowechsel, viel Percussion und Drums.

Habt ihr den Tanz schon gekannt?
Testa:
Wir haben eine Weile überlegt wie man das nennen könnte und dann ist Holger irgendwann damit gekommen.
Chrisfader: Es hat im Endeffekt sehr gut gepasst, weil der Dabke-Tanz von relativ abrupten Rhythmus-Wechseln geprägt ist. Wir haben schon bisschen in diese Richtung produziert, ohne das jetzt wirklich aktiv zu wissen. Wir machen nicht einfach nur Beat-Loops, sondern versuchen ausarrangierte Instrumental-Nummern zu machen: aus Samples, Synthies und allem Möglichen. Es gibt auf mehreren Nummern ärgere Rhythmusbrüche –  das hat sich schon beim Produzieren so ergeben, weil wir das einfach wollten und dann hat „Dabkeh“ umso besser gepasst. Auch weil der arabische Flavour voll drinnen ist.
Testa: Vor allem passt‘s gut zu „Restless Leg Syndrome“. Wir mussten uns oft die Frage anhören, warum man sich nach einer Krankheit benennt. Aber wir haben das immer so gesehen, dass es um den „Tanzschmäh“ geht und „Dabke“ ist halt auch der Name von einem Tanz –  es ist also eine runde Sache.
Chrisfader: Das hat absolut nix mit irgendeiner Form von Diskriminierung zu tun. Wir haben vielleicht einen eigenen makaberen Humor, das geb ich voll und ganz zu. Wir sind dagegen, alles so extrem ernst zu nehmen. Aber wir wollen auf keinen Fall die Leute mit unseren Platten beleidigen.

Wie entsteht ein Beat bei euch, setzt ihr euch da jedes Mal zu dritt zusammen?
Chrisfader:
Das ist unterschiedlich. Bei der EP hat Holger schon wirklich viele Samples gehabt, alte Vinyls in erster Linie. Wir hören uns das dann am Anfang ganz klassisch durch und suchen nach dem „magischen Moment“ und dem Sample, das man verwenden will. Wenn wir das Richtige gefunden haben, nehmen wir ziemlich viel auf und würfeln vieles zusammen. Normalerweise schauen wir, dass wir Sachen, die nix miteinander zu tun haben, zusammenwürfeln. Und dann fängt man einfach mal an – oft auch zu dritt. Bei der Platte war’s halt aus Zeitgründen nicht immer möglich, weil wenn man darauf wartet, dass ein zweifacher Familienvater jeden Tag Zeit zum Sound machen hat, dauert das lange. So haben wir immer mindestens zu zweit an Grundideen gearbeitet. Irgendwann merkt man: „Wird das jetzt was oder nicht“ und man macht das dann zusammen fertig. Wir schaffen’s immer sehr gut, dass etwas von jedem Einzelnen in dem Beat steckt. Sonst bringt’s auch nichts, dass man zusammen Musik macht.

Von welchen Platten bzw. Künstlern habt ihr Samples genommen?
Testa:
80 – 90% waren libanesische Sachen. Und es gibt noch ein paar ägyptische und iranische Sachen. Hauptsächlich sind es alte Platten aus den 60er und 70er Jahren.
Chrisfader: Wenn du nach Künstlern fragst: wir haben ehrlich gesagt keine Ahnung, wer die sind. Vielleicht sind das dort schon Berühmtheiten, aber es sind hauptsächlich so billige Flohmarktplatten aus den 60er und 70ern. Es ist uns recht wurscht, wie berühmt die Künstler sind. Mir geht’s darum, dass es alt ist, weil ich da dann weniger Probleme damit hab, ich weiß auch nicht warum (lacht).
Testa: Holger hat eine „Production Library“ für Popmusik, wo er arabische Percussion-Grooves und solche Sachen hat. Mit denen haben wir das noch kombiniert.

Ich habe gelesen, dass euch der algerische DJ und Produzent Imhotep „gecatcht“ hat?
Chrisfader:
Ja, der war der Producer von IAM. Wer die kennt, weiß, dass die schon immer arabischen Einflüsse in ihren Beats hatten. Der Imhotep hat 1998 ein Album gemacht, wo nur arabische Samples drinnen waren. Wir haben das Album erst vor zwei Jahren durch Holger kennengelernt. Es ist auf jeden Fall großartig produziert, auch für damalige Verhältnisse. In erster Linie hat es Holger inspiriert, der wollte schon vor zehn Jahren so etwas mit Slime machen. Es hat sich halt bis jetzt nicht ergeben – Holger’s Musikkarriere hat ja nach „Total Chaos“ und „Goalgetter“ ein bisschen Pause gehabt. Wir finden die Samplequelle extrem cool, das ist prädestiniert für fette HipHop Beats.

Habt ihr euch neben dem musikalischen Aspekt auch mit der libanesischen Kultur auseinandergesetzt, entwickelt man da ein Gefühl dafür?
Testa:
Ich bin auf jeden Fall ein großer Fan von der arabischen Kultur. Ich war zwei Mal in Ägypten, aber noch sonst in keinem arabischen Land. Ich find das extrem cool, aber es ist halt schon was anderes. Man muss ein bisschen aufpassen mit gewissen Sachen. Vor allem muss man gewisse Sachen auch wissen, wenn man so etwas macht und sich natürlich mit der Kultur beschäftigen.
Chrisfader: Wir wollen alles andere als respektlos gegenüber einer anderen Kultur sein. Wir sehen das ja auch als Hommage, aber man kann nicht davon ausgehen, dass das jeder so versteht. Ich weiß nicht, wie man das respektlos machen könnte, außer es ist lieblos produziert. Aber dann bringt’s nichts, es überhaupt zu machen.

Steckt hinter jedem einzelnen Track eine kleine „Geschichte“, die es zu erzählen gibt?
d.b.h:
Auf jeden Fall. Ich hab viele Ort und Eindrücke in Beirut, die ich mit der Musik verbinde: Vom verträumten Lieblingscafé am Meer bis zum Cruisen durch die Straßen Beiruts ist da alles dabei. „Jibril“ ist für mich etwas Besonderes, weil das wahrscheinlich die langsamste Nummer ist, die ich bzw. wir je produziert haben – mit 61 bpm. Und mein Schwiegervater gibt dazu noch mit 71 Jahren sein Debüt auf Platte. Das schlägt sogar Charles Bradley.

Wisst ihr, was in der libanesischen Rap und DJ-Szene abgeht, habt ihr davon Sachen gehört?
Chrisfader:
Wir haben paar Sachen gehört. Es gibt dort auf jeden Fall eine HipHop Kultur und Leute, die Musik machen. Soweit ich das mitbekommen hab, ist grad alles am Aufwachen, vor allem die Producer-Szene. Ein Künstler namens „Stormtrap“, den wir auch in unseren Promomix reingehaut haben, ist jetzt total steil gegangen: der hat eine Million Soundcloud-Follower. Das ist auch nicht sonderlich anders als das, was wir machen. Er macht samplebasierte, fette Beats. Damit einem das gefällt, muss man nicht so der „HipHop Dude“ sein. Das find ich auch das Interessante daran, weil ein HipHop Publikum zu bedienen, find ich nicht mehr so schwer. Wir vermischen das halt und das gefällt dann auch Leuten, die woanders herkommen. Das ist uns ziemlich wichtig.
Testa: Passenderweise bin ich gestern bei der Labelnight auf der Straße gestanden und da ist mir so ein richtiger Punk-Head entgegengekommen und hat gemeint, dass er Duzz Down Sun extrem feiert. Das ist das beste Kompliment.

Sind Auftritte im Libanon geplant?
d.b.h: Ja, es hat sich sogar die österreichische Botschafterin aus Beirut gemeldet, die wollen uns einladen. Auch zwei Clubs haben Interesse was zu machen, wollen aber abwarten, wie sich die politische Situation weiterentwickelt. Ich hoffe es klappt Anfang 2014.

Testa, du hast in einem Interview gemeint, dass es nicht allzu schwierig war, die Samples einzubauen, weil HipHop eben so offen textiert ist. Schwieriger war es, den Kontrast zwischen schneller und langsamer Rhythmik zu finden, weil euch das  – wie vorher erwähnt – sehr wichtig ist. Kannst du das näher erläutern?
Testa:
Das sind wir wieder beim Dabke-Thema: dass sich bei den Rhythmen, die da vorhanden sind, oft was verändert. Dass man nicht einfach einen Beatloop macht, sondern intrumentale Tracks, die einen coolen Aufbau und Arrangement haben. Und auch viel Abwechslung. Das reizt uns.
Chrisfader: Wir sind ja auch Riesenfans von der ganzen Beat-Szene und was da grad alles passiert. Ich find’s super, dass endlich mal Producer ins Rampenlicht gerückt werden. Dexter hat das bisschen losgetreten und ist da einer der Vorreiter, mit vielen anderen natürlich. Das ist aber alles noch Loop-orientierter. Es gibt sehr viele, die „Beat-Tapes“ auf Bandcamp raushauen und das ist dann eineinhalb Minuten irgendein Loop. Ich find diese Simpelheit auch cool, aber ich kann persönlich nicht einfach nur einen Loop produzieren und den dann rausspielen.
Testa: Es hängt sicher auch mit der Produktionsweise zusammen. Diejenigen, die diese Beatloops produzieren, machen das meistens mit der MPC oder MPD. Das machen wir relativ wenig. Wir sind eher softwarebasiert, viel rumschieben, einzelne Sachen einspielen, aber jetzt nicht  „Loops klopfen“.
Chrisfader: Von uns kann keiner „klopfen“ und das bringt es auch nicht. Wenn ich was einklopf und ich’s danach verschieben muss, kann ich’s gleich schieben. Man kann es auch so viel genauer machen: millimeterweise, so wie du es haben willst.

Welche Sachen habt ihr selbst eingespielt?
Chrisfader:
Bässe in erster Linie, Synths, paar Percussions. Der Titeltrack hat überhaupt keine Samples. Der hat nur Synths und Percussion-Loops, die wir „umgechoped“ haben von der arabischen Library. Spielen ist halt so eine Sache: wir haben einen extremen Samplebackground. Ich tu mir sehr schwer von 0 auf 100 etwas ohne Samples zu produzieren. Da geht’s um die ganze Stimmung und den Vibe, der mit dem Sample mitkommt. Da ist die Melodie fast schon nebensächlich für mich. Wenn ich die Möglichkeit hab mit alten analogen Instrumenten was einzuspielen, ist es wieder was anderes. Aber bei Software-Synthesizern ist mir der ganze Sound einfach zu „Plastik“. Lukas (Testa, Anm.) probiert schon viel mit Synthies. Mir reicht’s wenn ich bei Software-Synthesizern coole Bässe find. Viel dazu zu spielen, wenn eh schon so viele Samples drinnen haben, ist von der Ästhetik her schwer.

Ihr habt bei jeder eurer Platten eine eigene Soundthematik. Auf der letzten „Swapping Swingers EP“ war es der Blues und Swing der 1920er Jahre. Wie lang dauert da der Entscheidungsprozess?
Testa:
Das ist unterschiedlich. Bei der ersten Platte haben wir einfach die Idee gehabt, Swing-Sachen zu machen. Bei der jetzigen hat es auch nicht lang gedauert.
Chrisfader: Beim Produzieren und „Idee Finden“ sind wir jetzt viel schneller und routinierter, damit bin ich echt glücklich. Bei der „Swapping Swingers EP“ hat das ein bisschen länger gedauert. Bei der jetzigen hat es eine Phase gegeben, wo es richtig „geflutscht“ ist.
Testa: Es hat ein Jahr gedauert, vom Anfang bis zu dem Zeitpunkt, wo sie rausgekommen ist. Sie war aber schon vor vier Monaten fertig.
Chrisfader: Wir haben auch zwei Tracks drauf, die nur wir zwei produziert haben: „Hammasichanimmada“ und „Habibi“. Die sind an einem Abend innerhalb von 3-4 Stunden entstanden und waren dann so fertig, wie sie heute sind.

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Habt ihr schon Ideen für ein nächstes Thema?
Chrisfader:
Nicht wirklich (lacht).
Testa: Was wir auf jeden Fall machen, ist in irgendeiner Form Tiroler Volksmusik zu verwerten. Das ist schwierig, weil das sofort billig werden kann. Da muss man die richtigen Nummern finden und das ist ein langer Prozess.
Chrisfader: Aber ehrlich gesagt, was als Nächstes kommt, wissen wir nicht. Natürlich könnten wir jetzt Indien und Bollywood machen, aber wenn wir in Asien bleiben, hat das schon einen ähnlichen Flavour. Die Idee war einmal, dass wir 60er, 70er Jahre Vintage Synthie-Platten verwenden. Aber ich weiß noch nicht, ob man daraus eine Restless Leg Syndrome-Platte machen kann.
Testa: Geplant ist, eine Woche zu dritt ins Ausland zu fahren, um uns dort ins Studio zu setzen. Da geht auch viel mehr weiter.
Chrisfader: Es war für mich immer klar, dass man alles samplen kann, nicht nur Funk & Soul. Natürlich hat das für uns auch eine Riesenrolle gespielt, aber es gibt einfach viel, viel mehr. Das ist genau die Frage, mit der der Large Professor immer konfrontiert wird: „How would you define your Music?“. Und es gibt einfach kein anderes Wort dafür als „HipHop“. Er samplet einfach alles, was er will und sagt auch: „Sample freely“. Sample was du willst, es geht nur darum, was du daraus machst. Es ist einfach alles möglich und da muss uns nur die Muse küssen und schon haben wir das nächste Thema.

Durch Atomique habt ihr ja auch schon etwas mit Dubstep zu tun gehabt. Wäre es eine Überlegung, das als Nächstes zu machen?
Testa:
Das ist Geschmackssache. Ich mach hin und wieder bisschen elektronischeren Sound aber ich würd’s nicht Dubstep nennen. Ist es auch nicht (lacht). Wir beide kommen aus einem ähnlichen Background, aber wir sind musikalisch schon etwas auseinander gegangen: ich hab mich zum Beispiel mit den ganzen Trapgeschichten auseinandergesetzt. Das feiert Chris nicht so sehr.
Chrisfader: Das ist echt die Frage: Ich hab keinen Bock, nur wegen irgendwelchen Hi-Hats, die so gesetzt sind, eine neue „Schublade aufzumachen“. Ich scratch seit zehn Jahren auf solchen Beats. Für mich ist es einfach ein langsamer HipHop-Beat. Bei „Hammasichanimmada“ kann man wenn man will „Trap“ dazu sagen, muss ich aber nicht. Mir ist das gleich zu „ravig“ und zu viel Synth-Rave-Trompeten. Ich bin da einfach happig und gerade bei Hudson Mohawke, der ganze viele Bläser-Synthies hat, bin ich allergisch drauf. Das ist zwar unglaublich produziert, aber zu Plastik. Die Rhythmik und das ganze „32stel-Ding“ und „70bpm-Doubletime“, das ist eins der coolsten Sachen. Es kommt immer auch auf die Soundauswahl an und es ist wie bei jedem Hype – da kann Trap-Musik an und für sich nix dafür – sobald etwas steil geht, glauben 100.000 Leute sie haben’s verstanden und müssen da mitmachen. Es ist wenig eigene Identität dahinter, das ist, was mich daran stört. Für mich ist auch Dubstep ein langsamer HipHop-Beat. Ich bin da auch schon extrem gedisst worden dafür: „Na, so was kannst du nicht sagen!“.

Bei den Titel hat man Namen wie „Habibi“ und „Ya Nass“, die alle einen gewissen Bezug zur arabischen Kultur haben. Da sticht „Britney Spears“ etwas raus: Was ist da die Story dahinter?
Testa:
Das hat nur den Hintergrund, dass die Wordcuts, die drinnen sind, von der Britney Spears handeln.
Chrisfader: Wir wollten Turntablism mit einbauen, damit es auf den Nummern Cuts gibt. Ich hab dann passende gesucht, die auch Sinn ergeben. Als ich dann das Acapella durchgehört hab, hab ich mir gedacht: „In die Richtung wollt ich eh schon mal was loswerden“ (lacht). Es ist so unser DJ Statement: es ist eine Nummer für Leute, die auflegen und die verstehen’s auch. Jeder DJ, der auflegt, hat das schon mal gehört.

„Ya Nass“ ist auch der Albumname von der libanesischen Sängerin Yasmin Hamdan, die Akkustik-Sound macht. Kennt ihr die?
Chrisfader:
Ja, vielleicht war das eh die, die wir gesampelt haben.

Es folgt ein Durchsuchen der verwendeten Platten, ob Yasmine Hamdan dabei war. Ergebnis: Nein, „das ist die Samira, da ist Ya Nass drauf“.

Folgendes Zitat stammt von ihr: „Ich fühlte mich immer deplatziert im Libanon, erst die Musik gab mir einen Ort, der arabisch war, zu dem ich eine Beziehung spürte – und an dem ich mich wohlfühlte.“ Begeben sich viele junge libanesische Künstler durch die Musik auf ihre persönliche Identitätssuche?
Testa
: Holger hat erzählt, dass es auf jeden Fall so ist, dass junge Leute im Gegensatz zu unseren, klassische Musik cool finden. Es passiert oft, dass es irgendwo klassische Musik spielt und die Leute zu tanzen beginnen.
Chrisfader: Aber das hat damit zu tun, dass das nicht so ein Scheiß-Sound ist wie bei uns (lacht). Das groovt zehn Mal mehr als bei uns. Es ist kein Wunder, dass bei unserer Volksmusik die jungen Leute nicht so steil gehen. Es ist halt alles haargenau gleich. Und auch inhaltlich so nichtsagend: mir geht’s da echt auch immer um Lyrics. In der arabischen Volksmusik haben die themenmäßig mehr zu erzählen, als nur die Berg…“Ich hol dir die Sterne vom Himmel“ (singt nach). Volksmusik bei uns ist echt harte Drogenmusik, das muss ich so hart sagen.

Auf dem ersten Track „Minirock“ von der “Swapping Swingers EP” gibt es ein gesprochenes Intro: „Die goldenen 20er Jahre, ja das waren schwungvolle Zeiten: stolze Autos, Jazz, Trubel, Lebensfreude und sogar Miniröcke.“ Wollt ihr dadurch vermitteln, in welchem Kontext die Musik steht und mit euren Tonträgern auch ein Statement setzen?
Testa: Ja, auf jeden Fall. Ich find das extrem cool, wenn ein Projekt ein klares Konzept hat und sich das von Anfang bis Ende durchzieht. Wie bei der jetzigen Platte, wo das Cover und das T-Shirt-Design von den Jungs aus Beirut kommt.
Chrisfader: Wegen dem Statements Setzen: das ganze Projekt ist schlichtweg eine Hommage ans Samplen grundsätzlich. Ich will nicht sagen, dass wir zeigen wollen, was man alles samplen kann, aber allein was Samplen für eine Macht hat. Bei jeder anderen Musikrichtung ist mehr oder weniger vorgegeben, was für Instrumente drinnen sind und so klingt das dann auch. Rock hat E-Gitarre, Drums, Bass und man weiß etwa, wie es klingt. Dadurch, dass du alles samplen kannst, hast du jeden möglichen Flavour, den du in einem HipHop Beat drin haben kannst. Das macht das Genre mit Abstand zum abwechslungsreichsten, das es gibt.

Das lokale Hip Hop-Duo Ashekman hat für euch T-Shirts und das Artwork entworfen. Wie kam es zu dem Connect?
Testa:
Ja, die sind ein Zwillingspaar. Der Kontakt ist durch Holger zustande gekommen. Der kennt die Jungs schon seit zehn Jahren und dadurch, dass er schon öfter in Beirut war, hängt er dort mit denen ab. Die rappen auch selber, sie haben mit „Blumentopf“ einen Track gehabt. Und da ist die Connection eh naheliegend.
Chrisfader: Die Kommunikation ist über Holger gelaufen und war nie ganz unproblematisch, wenn man so weit auseinander ist. Wir hätten uns die eine oder andere Sitzung mehr gewünscht, was das Cover angeht, aber das war zeitlich eben nicht drinnen. Wir sind auf jeden Fall sehr dankbar.

Und zufrieden damit?
Chrisfader
: Wir sind zufrieden damit. Das ist immer schwierig bei drei Leuten. Man muss auch Kompromisse eingehen, sonst braucht man sich nicht einbilden, dass man zu dritt arbeiten kann. Aber das sind alles Kompromisse, mit denen man gut leben kann.

Und gab’s da auch mal Streitpunkte?
Testa
: Es gab einen definitiven Streitpunkt (lacht). Aber das Thema ist eigentlich abgeschlossen.
Chrisfader: Das ist wie in jeder anderen Crew. Jeder hackelt dafür, jeder will, dass es so cool wie möglich wird und da will man seinen eigenen Standpunkt einbringen. Da diskutiert man nun mal, das ist das Normalste auf der Welt.

Restless Leg Syndrome

Wie wichtig ist es euch eigentlich, dass eure Nummern tanzflächentauglich sind?
Chrisfader
: Bei der letzten EP war es allein schon durch den Swing so „Heppi-Peppi“. Ich finde, dass das dieses Projekt auf jeden Fall für die Tanzfläche ausgelegt ist. Aber es muss nicht immer alles „terrormäßig“ nach vorn gehen, damit es uns gefällt. Mir persönlich gefällt Musik besser, die nicht zum Tanzen, sondern nur zum Anhören ist. Für viele Leute ist Musik nur dazu da, um Party zu machen. Und es sind auch nicht alle Nummern auf der EP so tanzflächentauglich. Grad „Jibril“ ist sooo langsam, ich kann dazu schon tanzen, aber für einen, der am Samstag in den Club geht, ist das keine typische Tanznummer. Sicher, man könnte auch überall einen Massiv-Synth drüber laufen lassen, damit’s „zeitgemäß“ noch mehr Leute geil finden, aber das ist nicht unser Ziel.
Testa: Allein durch unseren Namen, ist das Konzept des Projekts, dass wir es auflegen. Deswegen machen wir ja auch Vinyl.

Ihr habt schon angesprochen, dass jetzt immer mehr Produzenten und Beatmaker in den Vordergrund gerückt werden. Seht ihr da in Österreich eine gute Entwicklung?
Testa:
Ich finde, dass gerade Wien die größte Dichte an coolen Produzenten aufweist. Also von Mitteleuropa aus gesehen, außer L.A. oder so was.
Chrisfader: Auf jeden Fall, es geht die ganze Zeit bergauf. Es trauen sich immer mehr, das ist großartig. Natürlich werden Rapper immer vorne stehen, weil sie die Aushängeschilder der Projekte sind. Aber ich begrüße es sehr, dass jetzt auch einmal Produzenten ihre Plattform bekommen und dass es Leute interessiert.
Testa: Mittlerweile sind wir ja auch ein großer Teil von Duzz Down San. Ich kümmer mich zum Beispiel um die „Duzz Up“- Compilation und stell das Ganze zusammen. Ich motiviere Leute dazu, was beizutragen, um die Szene nach vorne zu bringen und vor allem auch junge Leute, die extrem talentiert sind, wie Karma Art. Der ist erst 19. Ich war auch oft schon wirklich lästig bei Leuten, die coole Beats machen, aber sich noch nicht wirklich trauen. Um sie zu pushen, damit sie aus ihrem Schneckenhaus herauskommen.
Chrisfader: Ich find, dass es viele in Wien gibt, aber dass nicht wirklich viel nachkommt in Österreich.
Testa: Naja…
Chrisfader: Pfff, ich weiß nicht… Also beim Beats Produzieren geht’s noch. Aber beim Auflegen bin ich schon der Meinung, dass die Kids einen ganz anderen Zugang haben. Vor fünf Jahren waren den Leuten in der Partyszene die Turntables noch eher ein Begriff und was man damit machen kann. Das kann man denen heute auch nicht übel nehmen, aber bei ihrem Zugang zu HipHop hat das schon lange keine Rolle mehr gespielt. Deswegen fände ich es cool, wenn junge Leute nachkommen, die noch mit Plattenspielern auflegen und das Scratching cool finden. Diesbezüglich hab ich mich schon damit abgefunden, dass ich das selber mach und ab und zu mit drei, vier Gleichgesinnten. Wenn sich wer dafür  interessiert, versuche ich die zu unterstützen. Aber ich sehe da kaum wen…

Bei Duzz Down San hat man das Gefühl, dass da musikalisch kontinuierlich etwas nachkommt. Ihr habt jetzt schon Volume 6 von der Beat Compilation draußen. Was ist da euer Ziel, einfach weiter für Output als kreativer „Melting Pot“ zu sorgen?
Testa
: Genau, du beschreibst es eigentlich perfekt. Es gibt kein wirkliches Ziel und das hat es auch nie gegeben. Es hat damit angefangen, dass man eine kleine Plattform für zwei Releases schaffen wollte, die Mosch ins Leben gerufen hat. Das ist mittlerweile nach fünfeinhalb Jahren extrem gewachsen. Man muss natürlich darauf schauen, dass es nicht ausufert. Wir haben dann auch gesagt, es reicht mit neuen Leuten, weil wir eh schon so viele sind. Das hat sich jetzt wieder geändert. Jetzt passiert musikalisch auch sehr viel in eine andere Richtung. Es wird bei den nächsten Releases musikalisch sehr viel offener, auch in Richtungen, die manchen Leuten vielleicht nicht gefallen werden.
Chrisfader: Wir sind keine Kellner.
Testa: Genau. Es kann uns kein Mensch vorwerfen, dass es keinen roten Faden gibt. Weil der rote Faden ist der menschliche Zugang zu dem Ganzen und das Gemeinschaftsding.
Chrisfader: Es ist doch total langweilig, wenn du zehn Leute auf einem Label hast und alle klingt genau gleich. Jeder Künstler hat seine eigene Vision und Herangehensweise. Ich nenne das noch HipHop, was da passiert und jeder soll seine Vision davon ausleben. Natürlich müssen wir da dahinterstehen, aber das ist auch nicht schwierig. Wir sind das gewohnt, wir haben schon vor zehn Jahren experimentelle, elektronische Beats gehört. Das ist nichts Neues für Mosch oder uns, oder irgendwem auf dem Label. Es gibt natürlich Leute auf dem Label, die einen straighten Rap Ansatz haben, aber die haben auch kein Problem damit, dass nicht nur Boombap-Sachen rauskommen. Es soll von jeder Facette etwas dabei sein, weil das auch Teil der Kultur ist. Da gibt’s nur das Kriterium: sind wir cool, mit dem oder derjenigen, die was releasen will und passt der Sound einigermaßen. Aber natürlich bringen wir auch nicht alles raus.

Schicken euch die Künstler Sachen?
Testa
: Früher war es so, dass es bei allen, die dazu gekommen sind, aus einer Freundschaft heraus war. Jetzt ist es auch so, dass uns Leute einfach anschreiben und Demos schicken, wie etwa Karma Art. Wenn man ihn nicht kennt, trifft man sich und wenn den alle cool finden, dann passt das. Es hat aber auch schon viele Sachen gegeben, wo wir „Nein“ gesagt haben, weil er menschlich oder musikalisch nicht reinpasst.
Chrisfader: Es muss gut produziert und stimmig sein. Wir diskutieren schon viel drüber, aber oft ist man sich schnell einig.

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Ihr habt schon mit mehreren Rappern wie etwa Amewu, Def Ill oder P.tah zusammengearbeitet. Verändert da die unterschiedliche Arbeit auch eure musikalische Herangehensweise?
Chrisfader
: Schwer zu sagen. Wir arbeiten eher selten mit Rappern zusammen. Aber im Grunde ist es so: Wir machen Beats und wenn wir denken, dass da wer rappen könnte, dann schicken wir das Leuten aus unserem Umfeld. Eine Zeit lang haben wir nur das Instrumental-Ding ins Auge gefasst und mit dem Material war klar, dass das nicht unbedingt „rappig“ ist. Wenn Rapper Beats wollen und wir finden die cool, dann sind wir down damit. Aber wir haben nie von uns gesagt, dass wir mehr mit Rappern machen wollen. Bei Amewu war das total easy, weil wir den schon lang kennen. Der war schon 2007 in Wien, wie ich noch beim Goalgetter-Laden gearbeitet hab. 2007 war ich in Berlin und hab viel mit Amewu gemacht und ihm Beats vorgespielt. Da hab ich gerade „Stakkatoflow“ mit Def Ill gemacht und das hat er richtig cool gefunden. Er hat sofort gesagt, er würde auf den Beats rappen. Ich bin das nicht so gewohnt, Rapper haben bei meinen Beats oft einen anderen Geschmack. Amewu geht da in meine Richtung und ich hab da gerade zwei, drei Beats mitgehabt und er hat gemeint, er nimmt alle. Wir wollen uns nicht groß von Rappern dreinreden lassen, aber wenn wem der Beat taugt, passt man natürlich das Arrangement an und geht so weit es geht auf die Wünsche ein. Aber an und für sich, muss das unkompliziert gehen. Also große Auswirkungen auf unsere Produktion hat es nicht. Mach mal eine EP mit Def Ill, dann weißt du einiges… Da hast du dich halt mit Gegebenheiten abzufinden, dann sind eher menschliche Dinge, als musikalische.

Ihr habt 2010 die EP „Overland“ herausgebracht. Wie sehr habt ihr euch seit damals weiterentwickelt?
Chrisfader
: Sehr auf jeden Fall. Wir haben mittlerweile beide drei Platten in unserem Zimmer hängen, die wir produziert haben. Und ich find, dass jede extrem anders ist und trotzdem voll und ganz das, was wir machen wollten. „Overland“ war geprägt von einer Zeit, wo wir beide eine ganz andere Musik gehört haben. Ich hatte eine Zeit, wo ich nur melancholische, akkustische Gitarren samplen wollte. Und so klingt „Overland“ schon ein bisschen. Vom Flavour her ist es vielleicht wie frühe „Bonobo“-Sachen. Bonobo hat auch vor zehn Jahren so samplebasierte Down-Beat-inspirierte Sachen gemacht. Wir sind schon beeinflusst von den Sachen, die wir hören, aber wir biten nicht, sondern versuchen, unsere eigene Version davon zu machen.
Testa: Wir haben uns musikalisch definitiv verändert, aber man hört, dass es von uns ist. Da ist Bonobo ein gutes Beispiel: Sein neues Album ist auch etwas anderes, aber man hört, dass es Bonobo ist. Es geht darum, einen eigenen Style zu haben.
Chrisfader: Ich find’s auch nicht langweilig, wenn man raushört, von wem es produziert ist. Das ist doch das Coolste, was du erreichen kannst. Es darf sich natürlich nicht alles endlos wiederholen, wie das bei Premier teilweise schon ist. Es ist etwas anderes, stecken zu bleiben, als einen eigenen Style zu haben. Und das ist für uns das Allerwichtigste, das steht über Innovation. Wenn man sieht, dass das bei der EP funktioniert und zusammenpasst, kann man wirklich vielleicht mal ein Album angehen. Das wäre schon geil. Das man das bewusst so produziert, dass man es cool durchhören kann. Da muss man auch viel gemacht haben, damit man das machen kann.
Testa: Ja, da muss man auf jeden Fall reifen und Erfahrung sammeln. Aber es gibt den Plan, das ist etwas was viel Zeit braucht. Was wir auf jeden Fall als Nächstes machen werden – das sag ich jetzt mal so (lacht) – hat angefangen mit einem Interlude auf der Yo!Sepp-CD. Da haben wir einen lokalen Fernsehsender und die Aussagen dort gesampelt.
Chrisfader: Auf Hardcore-Tirol-Dialekt-Shit.
Testa: Da haben wir mehrere Nummern gemacht, schon seit vier, fünf Jahren. Es ist der Plan, dass wir das bis Ende des Jahres noch fertig bringen. Der Yo!Sepp ist mit paar Rapnummern drauf. Nur for free.
Chrisfader: Das wird in erster Linie für Tiroler sein, weil Wiener und der Rest von Österreich werden das schwer verstehen. Aber viele finden das allein von der Klangästhetik geil. Und das Chefket-Mixtape kommt auch noch das Jahr: ich hab einen Track produziert und ein paar Cuts gemacht.

d.b.h, wie kam es zu dem „Wandel“ von Total-Chaos-Zeiten zu dem Restless Leg Syndrome-Projekt, was hat das eventuell auch musikalisch für eine Veränderung gebracht?
d.b.h:
Total Chaos ist ja schon so lange her. Ich hab bis auf eineinhalb Jahre immer Musik gemacht und seit einiger Zeit mit Muh, Chrisfader und Testa zusammen ein Studio. Da war es nur eine Frage der Zeit, dass wir mal zu dritt was machen. Und wir Tiroler bleiben ja gern untereinander…

Und zu guter Letzt, wie kam es eigentlich dazu, dass der Goalgetter zusperren musste?
d.b.h: Ich hab schlussendlich 2008 zugesperrt, nachdem ich als Verlagsmanager beim Fußballmagazin „Ballesterer“ einen Fulltime-Job angenommen habe. Da machte es einfach keine Sinn mehr, das nebenher weiterlaufen zu lassen.

Abschließend folgte noch ein – ausführlicherer als gedachter – WORDRAP:

NVIEMOTHO:
Testa: Der Fleischi kennt ihn nicht (lacht).
Chrisfader: Davon hab ich noch nie in meinem Leben gehört.
Testa: Äh, das ist der Produzent vom Gerard MC. Der hat Blausicht produziert.
Chrisfader: Äh okay, Tschuldigung.
Testa: Ich find ihn einen extrem talentierten Beatproduzenten. Er  ist innovativ und vom Produktionslevel einfach on Top.
Chrisfader: Guter Produzent – jetzt wo ich weiß, dass er der Produzent vom Gerard ist, kann ich das sagen.
Testa: Vor allem sehr eigenständig, schon an der modernen Klangästhetik orientiert, aber auf jeden Fall eigenständig.

SPLASH FESTIVAL
Chrisfader
: Lange her. 2004 das letzte Mal.
Testa: Bei mir ähnlich. Aber ich war oft dort, sicher sechs, sieben Mal. Ich war mit sechszehn das erste Mal.

JOURNALISMUS
Testa
: Ui,…Fleischi.
Chrisfader: Das ist für mich, äh… (längere Pause). Was soll ich da sagen dazu: kommt drauf an – schwieriges Thema. Ich bin ganz offen: ich finde, dass sehr viele Medien – gerade Musikmedien – mit so einer arroganten Sicherheit bestimmen, was cool ist. Man kann aus Medien auch das heraus gewinnen: wenn du immer von dem, was sie schreiben, genau das Gegenteil denkst, dann bringst dir ja auch schon was. Dann weißt du, du bist genau das Gegenteil. Ich teil zum Beispiel sehr selten die Meinung von den Leuten, die in der Juice schreiben. Gerade was Musik angeht, ist Journalismus gut und wichtig, aber nur wenn‘s Leute gibt, die gut recherchieren. Aber was heißt das schon. Das ist echt ein schwieriges Thema.

Was würdest du sagen, Testa?
Testa
: Puh, eigentlich nix (lacht).

DÖNER BOX
Testa
: Ja, kauf ich mir hin und wieder.
Chrisfader: Ich nicht.

See Also
(c) Philip Pesic

BETTY FORD BOYS
Chrisfader
: Dope!
Testa: Ja, sehr dope, gute Musik.

VOLKSTHEATER
Chrisfader
: Dope! (lacht). Äh, steig ich jeden Tag auf die U2 um. Ich war noch nie drin.
Testa: Ich auch nicht.

HERMANN HESSE
Testa
: Schule (lacht).
Chrisfader: Ich bin der unbelesenste Mensch der Welt. Ich weiß, dass er mal was geschrieben hat, aber nicht was genau. Bildungslücke.

FREESTYLE BATTLE
Chrisfader
: Spaß.
Testa: Ich bin eine Zeit lang relativ viel auf Freestyle-Battles gewesen.

Aktiv?
Nein (lacht). Als Zuschauer. Aber das hat sich auch aufgehört. Ich finde, dass grade in Wien das Level extrem niedrig ist. Bei den letzten paar Freestyle-Battles war ich schwer enttäuscht. Ich will mich jetzt nicht unbeliebt machen, aber ich find auch die Leute aus dem Einbaumöbel nicht übermäßig gut. Es gibt auf jeden Fall ein paar gute Freestyle-Rapper in Österreich. Und die sind eigentlich alle bei Duzz Down San. Scheibsta, Senz – die Kombination hab ich paar Mal gesehen zu zweit.
Chrisfader: Es ist sehr punchlineorientiert und das ist einfach nicht alles. Es glauben sehr viele Leute, man muss jetzt krampfhaft doppelt und dreifach reimen, egal was du für ein Senf damit sagst. Das reicht halt nicht unbedingt.

WERNER FAYMANN
Testa
: Witzfigur.
Chrisfader: Ja…ich bin unpolitisch noch dazu. Ungebildet, unpolitisch, unbelesen (grinst). Mir ist alles wurscht (lacht).

PAROV STELAR
Chrisfader
: Es hat auf jeden Fall eine Phase gegeben, wie mir das getaugt hat. Aber mittlerweile bin ich total fertig mit dem Ganzen. Ich hab auch früher beim Auflegen öfter Ausflüge in die Elektro-Szene gemacht, aber das ist extrem vorbei. Mir reicht HipHop einfach, ich find da genügend in die Beat-Richtung. Großartig, dass er das so geschafft hat, ist ihm zu vergönnen. Aber die Musik wiederholt sich schon sehr. Das ist halt Partymusik.
Testa: Ich seh das ähnlich. Ich hab auch mit dem Elektro-Swing musikalisch abgeschlossen, obwohl wir eine so inspirierte Platte gemacht haben. Aber ich hab ein Live-Konzert gesehen beim Donauinselfest, das war eins der besten Konzerte, die ich je gesehen habe.
Chrisfader: Mich haben die Parov Stelar-Vergleiche bei unserer Platte schon gestört, weil ich find überhaupt nicht, dass das irgendwie etwas damit zu tun. Die einzige Gemeinsamkeit ist Swing und das war‘s dann. Das ist ganz anders produziert, viel hip hoppiger.
Testa: Obwohl wir sogar das gleiche Sample verwendet haben.
Chrisfader: Ja stimmt, auf seinem letzten Album hat er das dann verwendet. Das ist auch so etwas: Als Hip Hopper musst du dich dafür rechtfertigen, dass du samplest und Parov Stelar macht nichts anderes! Die Leute wissen es einfach nicht besser. Gar jeder samplet, ausnahmslos. Die Hip Hopper sind dann die Diebe und die anderen dürfen‘s. Was ich das alles schon rausgefunden habe, wo Samples drinnen sind: Discohits, Daft Punk, Ed Banger, alles!

Restless Leg Syndrome_0848

PSYCHOLOGIE
Chrisfader
: Zu hoch für mich. Meine Schwester ist auf dem Weg zur Psychologin. Mal schauen, ob sie mir dann helfen kann, wenn sie fertig ist (lacht).
Testa: Ja, auf jeden Fall sehr interessantes Thema. Mit dem man sich aber beschäftigen sollte, wenn man etwas älter ist.
Chrisfader: Noch haben wir keine Probleme (lacht).

MUSIKBLOGS
Chrisfader
: Wichtige Quelle, um auf neue Musik zu stoßen. Wenn man sich dem verwehrt, dann wird es wirklich schwierig, neuen Stuff zu finden. Es gibt viele gute davon, aber auch viele schlechte. Ich find’s großartig, dass es noch Leute gibt, die sich die Arbeit antun und Sachen auch spreaden. Ob das jetzt gut ist, wenn man es illegal downloaden kann? – Ich find schon. Im Zweifelsfall find ich wichtiger, dass die Sachen gehört werden, als dass man Geld damit machen kann. Wenn schon keiner mehr Platten kaufen kann, muss man es halt irgendwie anders machen. Ich profitier ja auch jeden Tag davon.
Testa: Ich find, dass sich das im letzten Jahr ziemlich verändert hat. Und ich weiß nicht genau, wie das weitergehen wird. Ich glaub, es wird dann wieder was Neues geben, das das ablöst. Wenn man aktiv reinkommen will, mit seiner eigenen Musik oder mit der, von anderen Leuten, ist das immer schwieriger geworden. Durch die ganzen Massen, die es da mittlerweile gibt, das ist einfach nur mehr Spam. Es geht auch so viel unter. Diese Musikverbreitung ist ein interessantes Thema, aber es wird etwas Neues geben.
Chrisfader: Ja, so kann es auf Dauer nicht funktionieren! Das hat auch damit zu tun, dass es jeder machen kann. Ich bin der Letzte, der irgendwem verbietet oder vorschreibt, ob er jetzt Musik machen soll oder darf. Aber das geht halt nicht so schnell. Ich hab das Gefühl, viele Leute wollen da jetzt mit Gewalt mitmischen, aus Egogründen. Und es ist für die wichtiger, jemanden etwas vorzuweisen und mitreden zu können, als dass man sich wirklich eine Zeit lang einsperrt und an seinem Rezept arbeitet. Das ist halt das Problem, es gibt so viele Sachen. Es gibt auch noch genügend super Sachen, aber bis man da halt hingefunden hat.

SELBSTVERWIRKLICHUNG
Chrisfader
: Ich hab’s bis jetzt ziemlich gut hingekriegt muss ich sagen (grinst). Aber ich bin auch ein bisschen einen anderen Weg gegangen als meine anderen Freunde. Die haben sich alle mehr um die Zukunft geschert.

Bei der Musik würdest du schon „Ja“ sagen?
Chrisfader
: Ja, auf jeden Fall. Ich hab nix zu bereuen, gar nix. Ich hab auch schon viel gemacht. Und auch mit Leuten, wo es vielleicht nicht eins zu eins meine Selbstverwirklichung war, aber ich muss das auch nicht so. Ich geh einfach nicht davon aus, dass ich  – gerade bei Cuts zum Beispiel – die Nummer zu hundert Prozent Killer finden muss, um einem Homie einen Gefallen zu tun. Und das ist mir auch sehr zugute gekommen. Solang ich noch einmal im Jahr mit meinen Jungs (gemeint sind: Testa, d.b.h.) Sachen machen kann, um die es wirklich geht, ist alles gut.
Testa: Die letzten paar Jahre hab ich meine Selbstverwirklichung eher ruhen lassen. Ich hab viel gearbeitet.

Was machst du?
Testa
: Ich bin Tontechniker, selbstständig. Ich möchte das mit der Selbstverwirklichung jetzt wieder verstärkt machen. Ich hab einen Job gekündigt, den ich schon lang gemacht hab. Jetzt will ich wieder mehr Musik machen. Es etwas ruhiger angehen, Arbeit „Arbeit“ sein lassen und wieder mehr das machen, was man halt will. Und sich selber auch nicht stressen: wenn’s nicht geht, dann geht’s nicht.

TEXTA
Chrisfader:
INSTITUTION.
Testa: Das ist die Band, die ich am aller öftesten live gesehen hab (lacht).
Chrisfader: Das glaub ich auch. Zwischen 14 und jetzt, 28, wahrscheinlich 600 Mal (lacht).
Testa: Nein, extrem oft auf jeden Fall…
Chrisfader: Texta war wirklich ein krasser Auslöser. Das war überhaupt eines der ersten deutschsprachigen Rap-Sachen, die ich gehört hab. Bei mir ist deutschsprachiger Rap erst später gekommen. Bei mir war Wu-Tang das Erste. Weil ich einen krassen HipHop-Bruder gehabt hab, der nur Ami-Sachen gehört hat. Das erste Album, das ich von denen in der Hand hatte, war das „Gediegen“ Album. Von da an hab ich jedes Album ausgecheckt.

Welches findest du das dopste Album?
Testa
: Ich sag „Gegenüber“.
Chrisfader: Gegenüber war das dritte oder? Ja, ich find auch das am besten. Dann hab ich „Paroli“ noch ziemlich gut gefunden. Gegenüber  – Gediegen – Paroli.
Testa: Und Gratulation zum 20-jährigen Bestehen!
Chrisfader: Ich mein da „Institution“ wirklich ernst, weil der Flip einfach auch viel tut. Der steht da so dahinter und das ist in Österreich nicht normal. Der fährt auch immer zu Jugendzentren irgendwo in Linz und macht mit denen ein Video und ist sich nicht zu schade dafür. Ich find das zehn Mal cooler, als wenn das irgendwer anderer macht. So was müsste es echt mehr geben.
Testa: Dem hat man echt viel zu verdanken.
Chrisfader: Der Flip hat unfassbar viel gemacht für österreichischen HipHop. Er  hat einfach seine Vision, wie es gehört und ich find das auch nicht schlimm. Als Hip Hopper bist du dann gleich einmal in der Retro-Schublade drin. Von mir aus ist er das dann auch. Mein Gott – das sind die ganzen Future-Zone-Dudes genauso, nur in einer anderen Richtung. Ich find’s nicht schlecht, Prinzipien zu haben und die hat er schon lang. So muss es sein, wenn man Musik macht. Ich glaub nicht, dass Texta da wäre, wo sie jetzt sind, wenn sie sich mit jedem Album dem gängigen Sound angepasst hätten. Ja – viel Glück ohne Skero. Nicht, dass ich glaube, dass es schlechter läuft, aber das ist nach zwanzig Jahren schon eine Veränderung. Es hat einfach jeder von ihnen einen ganz eigenen Style.