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Liverapper oder Studiorapper? Selten fällt eine Zuordnung so einfach wie bei Mr. Robbery, zumindest was seinen Werdegang betrifft. Auf Tirols Bühnen ist der Innsbrucker kein Unbekannter, er tritt dort seit 2012 wiederkehrend bei Open Mics, Jams, Cyphers und in Kooperation mit befreundeten Künstlern in Erscheinung. Für die ersten offiziellen Solotracks ließ er sich einige Jahre Zeit. Sie befinden sich auf seinem ersten Studioalbum „Herz auf der Zunge“, erschienen am 26. Juni.
„Live zu spielen ist ein ganz anderer Sport, als in der Booth zu stehen und einen Text aufzunehmen, bei dem jede Line durchdacht ist und man alles nachbearbeiten kann. Ich habe mich schnell darin verliebt, direkt vor Menschen zu spielen“, betont Mr. Robbery im Telefongespräch seinen Hauptfokus. Diesen sieht er auch durch den Umstand, viele Freunde im Musikerumfeld zu haben, begünstigt. So entwickelte sich aus gemeinsamen Jams in kleinen Lokalen 2016 die fünfköpfige Live-Rapformation Wolfsrudel Crew. „Wir haben uns ein Jahr lang probiert, sind fast jede zweite Woche aufgetreten“.
Perfektionismus statt Spontanität
Als sich die Wege trennten, dachte Mr. Robbery erstmals intensiv an Studioaufnahmen. 2017 fragte ihn das Innsbrucker Label Noname Records an, das sich – auch im Zusammenspiel mit der Promoplattform Rap in Tirol – der Förderung der lokalen Rap-Szene verschreibt. Seither ist Mr. Robbery Labelkollege von Mode, der bereits zwei Alben und eine EP veröffentlicht hat und von Llyric, der 2019 mit der Single „Moments“ aufzeigen konnte. Zwischenzeitlich war Mr. Robbery als Featuregast auf einzelnen Tracks sowie bei eingefädelten Shows in Österreich, Deutschland und Italien aktiv.
Als Gast-Act performte er etwa bei Rap am Mittwoch in der Grellen Forelle einen Track und war an einer Cypher beteiligt. Die Einladung von Ben Salomo und Tierstar auf eine Teilnahme am Turnier habe er aber dankend abgelehnt. „Fürs Mitbattlen war der Respekt vor der Veranstaltung noch zu groß“, so seine Begründung. In erster Linie tüftelte Mr. Robbery in den vergangenen drei Jahren aber an der Gestaltung seines Debütalbums.
Die lange Arbeit daran führt er auf seine perfektionistische Ader zurück. „Ich bin ein analytisch und kritisch denkender Mensch, der immer Vor- und Nachteile abwägen will. Es ist Fluch und Segen. Ich bin nie zufrieden, egal wie stark ein Projekt ist oder wie toll ein Auftritt war. Ich finde immer etwas, das man verändern könnte. Bei den Songs muss man natürlich trotzdem irgendwann abschließen“. Ein Prozess, auf den er auf „Herz auf der Zunge“ gleich im Intro und im Opening-Track „Rap“ eingeht.
Storyteller statt Representer
Wie der Titel andeutet, fällt auch ein Großteil der weiteren zwölf Tracks des Albums persönlich aus. Zwar zeigt sich Mr. Robbery auf „Respekt verdient“ battlefreudig – und steigt im dazugehörigen Video, das am 10. Juli erscheint, erstmals in einen Boxring –, abseits davon schraubt er sein Rapper-Ego aber zurück und widmet sich überwiegend emotionalen Lines. „Ich mache generell mehr Storyteller-Tracks als Representer mit Punchlines“, meint der Rapper dazu. Häufig, etwa auf „Liebestrance“ oder „(K)ein Arschloch“, reflektiert er gescheiterte Beziehungen und seinen Umgang mit Enttäuschungen.
Thematisch sticht die Single „Wir bewegen diese Welt“ heraus, die mit viel Pathos aufgeladen ist und zum selbstbestimmten Handeln als Weltschmerz-Katharsis anregt – inklusive Kinderstimmen in der Hook. „Es geht darum, dass man auch als einzelner Mensch was bewegen kann, wenn man übers Leben nachdenkt“. Im dazugehörigen Video ist Mr. Robbery teils in einer Kirche sowie in einem Schulgebäude zu sehen. „Wir haben die Schule gewählt, weil dort Kinder darauf vorbereitet werden, wie man als Mensch auf dieser Welt und in der Gesellschaft zu funktionieren hat. Der Glaube ist die letzte Instanz eines Menschen, wenn er mit sich selbst nicht mehr im Reinen ist“, erläutert er.
Ebenfalls als einprägsam erweist sich „Auf dem Meer“, ein Track mit einer interessanten Filmreferenz. Mr. Robbery bezieht sich auf „Last Fisherman“ und schlüpft in die Rolle des Tiroler Hauptprotagonisten. Im 2016 erschienenen und viel gelobten Dokumentarfilm trifft der letzte traditionelle Fischer auf der Halbinsel Rame in der britischen Grafschaft Cornwall auf unerwartete Unterstützung von einem Studenten und Sozialarbeiter aus Tirol, der von seinem Gegenüber wiederum viel lebensphilosophischen Input mitnimmt.
Frank Sinatra & Deutschrap-Platin
Sozialisiert sieht sich Mr. Robbery unter anderem mit deutschen Rappern, wie er erzählt: „Mich hat vor allem BOZ beeindruckt – ein sehr geerdeter und inspirierender Typ. Auch MoTrip finde ich sehr authentisch.“ Abseits davon lässt er sich nach einer kurzen Sprechpause die Namen Chefket, Teesy und Majan entlocken, deren Projekte er schätzt. Allein auf diese musikalischen Bezugspunkte möchte er sich aber nicht beschränken, zumal er sich auch intensiv mit Tracks von Eminem, R’n’B-Acts wie Usher oder Craig David und Hadern von Frank Sinatra und Co auseinandergesetzt hat. „Ich lasse mich von vielen Sachen inspirieren, wenn es mich catcht oder eine Emotion vorgibt. In Rap habe ich mich eigentlich erst bisschen später verliebt.“
Da erscheint es logisch, dass auf manchen Tracks deutlich hörbar eingespielte Gitarren-, Piano- und Trompetenklänge zur Geltung kommen und teils ein etwas poppiger Charakter entsteht, der HipHop-Sound aber im Vordergrund bleibt. „Mir war es immer wichtig, mich musikalisch auszuprobieren, mir selber keine Grenzen zu setzen. Dementsprechend ist viel mit Livemusikern entstanden, die ich im Laufe der Aufnahmen kennengelernt habe“, untermauert Mr. Robbery die Einschätzung.
Bei der Beatwahl konnte er auf die Vorteile von (Klein-)Labelstrukturen zählen. Neben dem hauseigenen Produzententeam beteiligte sich etwa auch Sony-Produzent KD-Beatz, der bereits mit Deutschrap-Größen wie Kool Savas, Haftbefehl oder Kollegah zusammengearbeitet hat und sich dank gemeinsamer Releases Gold-/Platinproduzent nennen darf. Zu sehr möchte sich Mr. Robbery aber nicht von Titeln dieser Art blenden lassen, das würde der geerdeten Art des gelernten Metzgers widersprechen. „Absolute Priorität hatte natürlich, dass mir der Sound gefällt, ich eine Verbindung fühle und es Spaß gemacht hat, nicht irgendeine Auszeichnung.“
Fußball & HipHop
Dass Mr. Robbery im bereits Ende 2019 erschienenen Video zum Intro im Innsbrucker Tivoli Stadion zu sehen ist, lässt sich übrigens nicht auf eine enge Verbindung zum FC Wacker Innsbruck zurückführen. Auch wenn der Fußball in jungen Jahren für ihn eine große Rolle spielte und er in der Jugend für den Unterhausklub Union Innsbruck aktiv war. Seine generelle Einschätzung des hiesigen Fußballs fällt aber gar negativ aus. „Ich schäme mich bisschen für den österreichischen Fußball, deshalb verfolge ich ihn nicht mehr so.“
Positiver denkt er über die Entwicklung des Tiroler HipHop-Umfelds – und das, obwohl die vielen Exiltiroler von Duzz Down San, die längst in Wien stationiert sind, nicht wirklich auf seinem Radar sind. Aber auch in Innsbruck habe sich eine gesunde kleine Szene entwickelt, was er auf seine Labelkollegen und weitere aktive Acts wie die AUTsiderz oder Spilif zurückführt. Da gilt es, dranzubleiben und weiterhin viel Herzblut zu investieren.
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