"The hardest thing to do is something that is close…
Das Jahr 2020 endete für Musik-Liebhaber*innen mit einer Schock-Nachricht: Daniel Dumile, besser bekannt als MF DOOM, ist tot. Der Rapper und Produzent verstarb am 31. Oktober 2020 im Alter von 49 Jahren, wie seine Ehefrau in einem Statement an Silvester 2020 bekannt gab. Mit DOOM verlor HipHop einen seiner außergewöhnlichsten Charaktere. Ein Nachruf.
Es passt zu MF DOOM, dem Thomas Pynchon des Rap, dass selbst die Bekanntgabe seines Ablebens einem großen Mysterium glich. In den Kommentarspalten vermutete manch Fan anhand des verwirrenden Statements seiner Ehefrau Jasmine, das via Social Media an Silvester in die Welt getragen wurde, einen schlechten Scherz: Auch das würde bei DOOM nicht komplett abwegig erscheinen, hatte er das Spiel mit dem Tarnen und Täuschen im Rap perfektioniert. Doch es ist ein himmelweiter Unterschied, ob man seine Maske an einen befreundeten Kollegen weiterreicht, der dann als „DOOMposter“ auf der Bühne steht – oder man seinen Tod vortäuscht.
Und das hat DOOM, so sehr man es sich wünschen würde, leider nicht gemacht. Das wurde im Verlauf des Silvester-Abends klar. Bereits am 31. Oktober 2020 ist er verstorben. Einzelheiten zu seinem Ableben wurden bis dato keine veröffentlicht. Die Nachricht schockte nicht nur große Teile der HipHop-Szene.
Mit DOOM legte schließlich einer der spannendsten Charaktere im Musikgeschäft seine Maske für immer ab. Einer, dem es gelang, ein ganz eigenes Universum zu erschaffen, das generationsübergreifend Künstler*innen inspirierte. Sein Lebenslauf war spektakulär: Die Geschichte von MF DOOM ist die eines Underdogs, der in die Mühlen des Musikgeschäfts geriet, sich aber dank unglaublichen Talents und blühender Kreativität zurück- und seine eigene Nische erkämpfte. Eine Geschichte, die es so kein zweites Mal gibt.
Die Entstehung des Zev Love X
Geboren wurde Daniel Dumile am 13. Juli 1971 in London. Die Mutter stammte aus Trinidad und Tobago, der Vater aus Simbabwe. Doch im Kernland des Commonwealth blieb Dumile nicht lange. Im Alter von sechs Monaten übersiedelte er mit seiner Familie nach New York. Religion und Politik waren Teile seiner Kindheit: Die Mutter erzog ihre Kinder nach dem Islam, der Vater, ein Lehrer, brachte ihnen afroamerikanische Aktivisten wie den Pan-Afrikanisten Marcus Garvey oder Nation-of-Islam-Führer Elijah Muhammad näher.
Ab der Junior High School zog es Daniel Dumile und seinen Bruder Dingilizwe zur Nuwaubian Nation. Bei der Bewegung, in deren Ideologie sich Black-Supremacy-Ideen mit Kemetismus und einem Glauben an UFOs vermengen, wurden Dingilizwe und Daniel aktive Mitglieder. Zu dieser Zeit begann HipHop eine immer wichtigere Rolle für die Dumiles zu spielen. 1988 gründeten die beiden gemeinsam mit Rodan, den sie von der Nuwaubian Nation kannten, die Gruppe KMD. Aus Dingilizwe wurde DJ Subroc, aus Daniel Zev Love X.
Zunächst war KMD als Graffiti-Crew aktiv. Den Namen wählten sie aufgrund der Tag-Tauglichkeit der drei Buchstaben; nachträglich füllte das Trio die Buchstaben mit der Bedeutung „Kausing Much Damage“ beziehungsweise „A positive Kause in a Much Damaged society“. Von Graffiti ausgehend ging die Entwicklung der Crew über Breakdance zum Rap. Ein Prozess, bei dem sich das Line-up änderte: Vor dem Debüt-Album „Mr. Hood“ (1991) stieg Rodan aus, um sich auf die Schule zu konzentrieren. Seinen Part bei KMD übernahm Onyx the Birthstone Kid.
„Mr. Hood“ erschien auf dem Label Elektra Records, einem Sublabel der Warner Music Group. Der dortige A&R Dante Ross wurde auf die Gruppe aufmerksam, nachdem er „The Gas Face“ (1989) von 3rd Bass hörte: Gefeaturet ist auf der Nummer Zev Love X, der seinen 3rd-Bass-Gastgebern MC Serch und Pete Nice frech die Show stiehlt. Ross war angetan von Daniel Dumiles Intellekt, wie er 2013 im Podcast The Cipher erklärte: „He’s reading Bukowski at age 19. What rapper’s reading that shit at 19?“.
Für Dante Ross, dem es zuvor glückte, De La Soul zu Tommy Boy Records zu holen, war die Verpflichtung von KMD zunächst kein schlechtes Geschäft. „Mr. Hood“ war mit seinen Singles „Peachfuzz“, „Who Me?“ und „Nitty Gritty“ kommerziell ein passabler Erfolg. Musikalisch konnte die Mischung aus der Lockerheit von De La Soul (so hat etwa Dr. Bert von der „Sesame Street“ auf dem Album einen Auftritt) und der strengen Erziehungsarbeit von Brand Nubian (die auf dem Track „Nitty Gritty“ vertreten sind) ebenfalls überzeugen.
Das eingestampfte Album
Während der Arbeiten zum Nachfolgealbum „Bl_ck B_st_rds“ traf Daniel Dumile ein schwerer Schicksalsschlag, kam Dingilizwe beim Versuch, den Long Island Expressway zu überqueren, ums Leben. Er wurde nur 19 Jahre alt. Nachdem Onyx the Birthstone Kid zuvor schon die Band verlassen hatte, stellte Daniel Dumile das Album alleine fertig. Elektra veröffentlichte das Album aber nicht. Grund dafür war das Cover. Dieses zeigt das KMD-Logo, eine rassistische „Sambo“-Figur, hängend an einem Galgen. Für Elektra eine Provokation zu dem denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Schließlich hatten gerade Ice-Ts Body Count mit „Cop Killer“ bei der Mutterfirma Warner Music für große Kontroversen gesorgt.
Ross war die Bedeutung des Covers in Form eines Hängens von Stereotypen bewusst, viele interpretierten das Sujet aber falsch. Einen medialen Aufschrei gab es bereits bei dem Cover zur Single „What a Ni**y Know?“, das ebenfalls die „Sambo“-Figur enthält. „Regardless of what the group was attempting to achieve with this imagery and the term, many in the black community will find them offensive. It’s inexcusable that the executives at Elektra allowed these images to slip through“, meinte Havelock Nelson, damals HipHop-Kolumnist beim US-Musikmagazin Billboard. Die ersten Vorzeichen eines Sturms, der losbrach, als Nelsons Kollegin Terri Rossi das Cover zu „Bl_ck B_st_rds“ zu Gesicht bekam.
Einen Monat vor dem geplanten Release attackierte Rossi im Airplay Monitor, dem Newsletter des Billboard, das Label aufgrund des KMD-Covers mit harschen Worten: „To promote lynching is just plain evil. A holocaust is the same whether it is millions at a time or one at a time that affects millions“, schrieb die Kolumnistin. Elektra entschied sich, das insgesamt 200.000 Dollar teure Projekt einzustampfen.
Wie bei vielen Alben in den 90er-Jahren, die nicht den Weg in die Läden fanden, machten hier Bootlegs die Runde und bescherten „Bl_ck B_st_rds“ den Status eines Untergrund-Klassikers. Erst 2000 wurde das Album regulär über das Label Sub Verse veröffentlicht.
Glücklicherweise, ist „Bl_ck B_st_rds“ ein bemerkenswertes Album, auf dem sich KMD deutlich gereift zeigen. Musikalisch sind die Instrumentals wie beim Vorgänger Jazz- und Funk-beeinflusst, das allgemeine Soundbild fällt aber wesentlich dunkler aus. Trotz manch spaßiger Nummer wie dem Sex-Song „Plumskinnz (Loose Home, God & Cupid)“ ist der Grundtenor ernster, der Einfluss der Nuwaubian Nation in den Lyrics deutlich wahrnehmbar. Naheliegend, da das Album zum Teil in den „Passions Studios“ von Dr. Malachi Z. York, dem Anführer der Nuwaubian Nation, aufgenommen wurde. Eine andere Inspirationsquelle war das Album „The Blue Guerrilla“ (1970) des ehemaligen Lost-Poets-Mitglieds Gylan Kain, das KMD mehrfach auf dem Album sampelten.
Elektra löste infolge der „Bl_ck B_st_rds“-Querelen den Vertrag mit Daniel Dumile auf. Laut Ross bekam er eine Abfindung von 25.000 Dollar und die Masterrechte für die KMD-Alben. Danach verschwand Daniel Dumile von der Bildfläche, mit ihm ging Zev Love X. Erst Ende der 90er-Jahre sollte Dumile wieder auftauchen.
Maske auf
Die Zeit bis zur ersten Veröffentlichung als MF DOOM war für Daniel Dumile schwierig. Er lebte in Atlanta und New York, mit einer Gemeinsamkeit: Das Geld war immer knapp. So knapp, dass er sich am Rande der Obdachlosigkeit bewegte. Trotz dieser prekären Lage arbeitete Dumile an Musik. 1997 erfolgte das Comeback, das eigentlich kein Comeback war: Mit MF DOOM erschuf er einen Charakter, der kaum etwas mit Zev Love X gemein hatte.
Flow, Delivery, Reimstil hatten sich ebenso geändert wie die Stimme, die passend zu dem neuen Charakter heiser klang. Auch die Lyrics wandelten sich, steckte Dumile als MF DOOM neue, damals nicht typische Themengebiete ab: „Other m.c.s are obsessed with machismo; Dumile is obsessed with ‘Star Trek’ and ‘Logan’s Run’“, charakterisierte der amerikanische Intellektuelle Ta-Nehisi Coates 2009 in einem Artikel für das amerikanische Wochenmagazin The New Yorker die Besonderheiten der Texte MF DOOMs.
Anders als etwa Ziggy Stardust von David Bowie oder Dr. Octagon von Kool Keith war MF DOOM nicht ein Alter Ego, das sich ein Hauptcharakter zulegte. Dumiles ausgedachter Super-Bösewicht MF DOOM war selbst der Hauptcharakter. Das Kürzel MF steht dabei für Metal Face, der Name DOOM ist eine Hommage an den Comic-Bösewicht Dr. Doom und eine Adaption seines Spitznamens aus der Kindheit.
Via Rapper Kurious, der auf „Bl_ck B_st_rds“ als Featuregast zu hören ist, nahm Dumile Kontakt zu Bobbito Garcia auf. Der Radioshow-Host („The Stretch Armstrong and Bobbito Show“) war Inhaber des Labels Fondle ’Em Records. Über dieses Label veröffentlichte MF DOOM seine ersten Singles, die dank ihrer Qualität im Untergrund schnell ihre Runden machten. „It was next level & grimy as fuck“, beschrieb etwa Rap-Kollege und späterer Song-Partner ILL BILL seine Reaktion auf die Single „Dead Bent/Gas Drawls/Hey!“.
Ab 1997/1998 absolvierte MF DOOM seine ersten Auftritte mit der ikonischen Maske. Zunächst verhüllte Dumile sein Gesicht in einer Plastik-Maske des Wrestlers Kane, erstanden beim Spielwarenhändler „Toys ‘R’ Us“ und vom Writer KEO aka Lord Scotch bemalt. Später ersetzte eine Replica-Maske aus dem Film „Gladiator“ (2000) dieses Kunstwerk.
Die Idee zur Maskierung entnahm Dumile wieder den „Fantastic-Four“-Comics: Dort muss Dr. Doom nach einem fehlgeschlagenen wissenschaftlichen Experiment eine eiserne Maske tragen. Im Gespräch mit dem amerikanischen Musikmagazin SPIN erklärte er 2004 den Beweggrund für das Tragen seiner Maske mit „The real reason is, I’m so ugly, I don’t wanna distract the crowd when I go on stage“, was wohl als Scherz gemeint war.
Der Super-Bösewicht rächt sich
Der nächste große Schritt in der Karriere des MF DOOM war 1999 die Veröffentlichung von „Operation: DOOMsday“, mit dem er zu einer Kultfigur der HipHop-Szene avancierte. Mit starken Bezügen zur Comic-Reihe „Fantastic Four“ und dem HipHop-Streifen „Wild Style!“ verkörpert MF DOOM auf dem Album den Super-Bösewicht, der mit der Musik-Industrie respektive der Masse an Rappern mit dürftigen Skills, die in die Charts gespült wurden, abrechnet (man höre nur „Rhymes Like Dimes“, in dem er den Verkauf von Marihuana als Metapher für das Rapgeschäft verwendet).
„Operation: DOOMsday“ ist ein musikalisches Abenteuer, das es in einer solchen Form vorher nicht gab. Neben den obskuren Samples erstaunt das Album durch seine komplexen Lyrics, bei denen MF DOOM schon einmal die Erzählperspektive tauscht. Dumile zeigt sich als DOOM auf einem technisch enorm hohen Niveau, flowt aber gleichzeitig locker-lässig. Beeindruckend auch der große Wortschatz, der kein Zufall ist. Dumile studierte schließlich ausgiebig die Wörterbucher „Merriam-Webster’s Dictionary of Allusions“ und „Depraved and Insulting English“. Die Musikindustrie meinte es aber weiter nicht gut mit ihm, schloß Fondle ’Em Records 2001 seine Pforten. DOOMs Elan wurde dadurch aber nicht gebremst.
Das DOOMiversum
Denn Label-Struggle hin oder her: Nach „Operation: DOOMsday“ baute Dumile sein Figuren-Universum kontinuierlich aus. 2001 begann Dumile unter dem Aka Metal Fingers Instrumental-Alben zu veröffentlichen („Special Herbs“), 2003 folgte mit „Take Me to Your Leader“ als King Geedorah (der dreiköpfige Drache King Ghidorah ist der bekannteste Gegner des japanischen Filmmonsters Godzilla) ein weiteres Soloalbum. King Geedoorah war bereits als Feature auf „Operation: DOOMsday“ vertreten – anders als Viktor Vaughn, der 2003 und 2004 mit den Alben „Vaudeville Villain“ und „Venomous Villain“ in das DOOMiversum eintrat. Der Name Viktor Vaughn spiegelte erneut Dumiles Comic-Leidenschaft wider, ist dieser dem Geburtsnamen Dr. Dooms, Viktor von Doom, entlehnt.
Dass all diese Charaktere Teil eines großen Ganzen sind, offenbarte DOOM mit manch nerdiger Anspielung, die sich beispielsweise in den Artworks seiner Projekte versteckt. Oder eben mit Features, die sich die Charaktere untereinander gaben. Zugleich hielt Dumile wenig von Beat-Exklusivität, wie etwa „Escape from Monsta Island!“ (2003) des Kollektivs Monsta Island Czars beweist, für das er manch „Special-Herbs“-Instrumental reanimierte: Beatrecycling war für DOOM auch zu einem späteren Zeitpunkt seiner Karriere kein Fremdwort.
Ebenfalls 2004 schlüpfte Dumile wieder in die Rolle des MF DOOM. Im November veröffentlichte er mit dem losen, zugleich aberwitzigen Konzeptalbum rund um das Thema Essen, „MM … FOOD“ (der Titel ist ein Anagramm von MF DOOM), ein neues MF-DOOM-Album. Ein Projekt aus dem März sollte jedoch alle anderen überstrahlen: „Madvaillainy“ mit dem Südkalifornier Madlib, genreübergreifend eine der besten Platten der 00er-Jahre.
Ein absurdes Theaterstück
Das Erfolgsrezept liegt im wunderbaren Non-Konformismus des Albums, das 22 Tracks in 45 Minuten aufbietet und ganz ohne Hook auskommt. „Madvillainy“ ist schlichtweg das Zusammenspiel zweier genialer Kreativköpfe, die sich mit Cannabis als Antriebsstoff mit und über Psych-, Jazz- oder Rock-Samples austoben. Ein Album, bei dem sich Highlight an Highlight reiht.
Dazu zählen „Meat Grinder“, in dem DOOM seine wahnwitzigen Rhyming-Skills auspackt, das irre Beat-Konstrukt „Accordion“ mit Daedalus-Sample, “Operation Lifesaver aka Mint Test“, in dem DOOM die Begegnung mit einer Frau mit Mundgeruch nachzeichnet oder „All Caps“, in dem MF DOOM uns auffordert, seinen Namen bitte in Großbuchstaben zu schreiben. Den lyrischen Wahnsinn auf die Spitze treibt „Fancy Clown“: Hier erzählt Dumile davon, wie die Freundin Viktor Vaughns diesen mit MF DOOM betrogen hat.
Dazwischen spielt sich Madlib mit Schnipseln aus Blaxploitation-Streifen und TV-Serien, Stacy Epps schaut auf „Eye“ für einen Neo-Soul-Moment vorbei und aus irgendeinem Grund bekommt Lootpacks Wildchild in diesem absurden Theaterstück mit „Hardcore Hustle“ einen Solo-Track. „This record is definitely something that I wish I wrote“, meinte etwa ehrfurchtsvoll Rap-Kollege Talib Kweli. Danny Brown fand ähnliche Worte 2013 beim US-Magazin Complex: „I never knew you could make an entire album without hooks and have it sound that good. That album showed me that music has no rules”.
„All new, all fun“
2005 folgte mit „The Mask and the Mouse“ das nächste Kollaboalbum, diesmal mit Danger Mouse. „The Mask and the Mouse“ trug sich als weiteres starkes Album in die Diskografie des Maskenmanns ein, mit der Ghostface-Killah-Zusammenarbeit „The Mask“ als erwarteten Standout-Track. Den Zauber von „Madvillainy“ bietet „The Mask and the Mouse“ aber nicht. Dieses Niveau sollte er in den Folgejahren auch nicht mehr erreichen.
Für sein letztes Soloalbum „Born Like This“ im Jahr 2009 pickte er als besonderes Gimmick J-Dilla–Beats („Gazzillion Ear“ und „Lightworks“). Nicht alles ist auf diesem Album geglückt, vor allem den Song „Batty Boyz“ mit homophoben Zeilen hätte er sich sparen können. Kritik daran ließ er nicht gelten. „It’s like John Travolta in Pulp Fiction. I loved him in that movie, but that doesn’t mean I agree with murder though“, erklärte er im Interview mit dem Blog Passion of Weiss wenig reflektiert.
„Born Like This“ chartete auf Platz 52 der US-Billboardcharts und bescherte DOOM seine höchste Chart-Platzierung. Ein Indiz dafür, dass er zu dieser Zeit längst seine Strategie für den richtigen Umgang mit der Musikindustrie gefunden hatte. Geschickt agierte DOOM mit Labels, zeigte er sich hier enorm flexibel. Statt Exklusivverträge bevorzugte er ein Modell der Streuung – hatte ein Label bei einem Projekt Bedenken, bekam ein anderes den Zuschlag. So sicherte er sich absolute künstlerische Freiheit – und verhinderte, dass sich eine „Causa Elektra“ wiederholte. Dass nebenbei eine Gier nach Re-Releases herrschte, brachte DOOM in eine weitere komfortable Lage.
2010 musste sich Dumile geografisch neu orientieren, nachdem ihm die US-Behörden nach einer Europa-Tour die Einreise in die USA verweigerten. Er ließ sich mit seiner Frau und seinen fünf Kinder in London nieder. Das neue Umfeld war für Dumile kein Grund zur Resignation: „I have no friends here apart from the dudes at my record label, and I didn’t go to school with no one. Nobody knows me – I’m incognito. It’s all new, all fun“, meinte er 2012 in einem Interview mit der britischen Tageszeitung The Guardian.
In London entstand 2012 das Kollaboalbum mit Experimental-Producer Jneiro Jarel, „Keys to the Kuffs“, auf dem er mit Brit-Größen wie Thom Yorke von Radiohead, Damon Albarn von Gorillaz und Blur sowie Beth Gibbons von Portishead zusammenarbeitete. 2014 veröffentlichte er mit „NEHRUVIANDOOM“ ein weiteres Kollabo-Projekt, diesmal mit Rookie Bishop Nehru, den er in das Spotlight holte.
Die Legacy
Über sein Privatleben wurde auch zuletzt wenig bekannt. Mit einer traurigen Ausnahme: 2017 starb sein Sohn King Malachi Ezekiel im Alter von 14 Jahren. Daniel Dumile machte sich danach deutlich rarer. Als letzten Longplayer veröffentlichte er mit CZARFACE 2018 ein, wenn auch halbgares, Projekt („CZARFACE Meets METAL FACE“).
Trotz der weitgehenden Abwesenheit blieb er präsent – durch andere. Die Liste an Namen, die DOOM als Einfluss bezeichneten, auf seine Verdienste aufmerksam machten oder auf seine Pfade wandern ist schließlich lange und umfasst große Künstler wie Drake, Tyler, The Creator, Mos Def/Yasiin Bey, Earl Sweatshirt oder Joey Bada$$.
Letzterer trug 2015 beim The-Message-Interview einen MF-DOOM-Ring, gegenüber der britischen Modezeitschrift i-D meinte er auf die Frage, welche Musik ihn an seine High-School-Zeit erinnere: „It’s gotta be a MF Doom track like Jasmine Blossoms aka Hoe Cakes. When I got to high school, I started to get into underground rap, my homie Capital put me on to him. [His music] is relevant to who knows about it“.
Das stimmt. MF DOOM war eine durch und durch außergewöhnliche Erscheinung, ein technisches Monster, der wie selbstverständlich Reime auf Wörter wie „Eyjafjallajökull“ ins Mikrofon rappte, ein begnadeter Lyriker, der in gänzlich eigenen Sphären schwebte. Er war nicht der kommerziell erfolgreichste Rapper. Aber einer, der Rap eine neue Facette verpasste. Er wird fehlen, seine Musik aber weiterleben. R.I.P. Daniel Dumile.
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